Gigantisch ist er schon, der rotglühende Feuersturm. In dessen ringförmigen Auge steht Wotan mit seinem zerbrochenen Speer. Ein wilder Wasserstrudel stürzt herein und scheint alles mitzureißen und zu vernichten, bevor auf der leeren Bühne ein junges, halbnacktes, eng umschlungenes Menschenpaar als Symbol eines zukunftsvollen Hoffnungsschimmers erscheint: So lässt Sven-Eric Bechtolf die „Götterdämmerung“ von Richard Wagner an der Wiener Staatsoper enden. Aber abgesehen von diesen finalen, spektakulären Videoprojektionen erlebt man im Haus am Ring einen recht biederen Abend, ohne dass der deutsche Regisseur auch nur irgendeinen Versuch einer Deutung der endzeitlichen Tetralogie unternimmt. Seine Inszenierung aus 2008, die im Jänner 2019 wieder aufgenommen wurde und jetzt wieder gezeigt wird, ist ziemlich statisch. In dem hässlichen, grauen Einheitsraum von Rolf Glittenberg mit zeitweiliger grüner Hintergrundverglasung, mit kleinen Tannen statt des Walkürenfelsens, mit eckigen Säulen und einem Schneckensofa in der Gibichungen Halle und Personen in seltsam anmutenden Kostümen von Marianne Glittenberg konzentriert sich Bechtolf lieber auch die Führung der einzelnen Protagonisten und rückt dabei Hagen in den absoluten Mittelpunkt.
Dieser hat zwar szenische Präsenz: Aber Albert Dohmen fehlt es an kraftvoller Substanz. Aber er ist böse und intrigantenhaft. Er kehrte szenisch den fiesen, genialen Drahtzieher des Geschehens hervor. Ihm ist das Geschwisterpaar Gunter, dieser wird von Clemens Unterreiner sehr kultiviert gesungen und von der Regie als völliges Weichei gezeichnet, und Gutrune, die verlässlich von Regine Hangler interpretiert wird, beinahe hündisch ergeben. Hagen selbst wird wiederum als Marionette seines Vaters Alberich gezeigt. Jochen Schmeckenbecher verleiht ihm ein besonders prägnantes Profil.
Nina Stemme ist eine gestalterisch exzellente und auch stimmlich imponierende Brünnhilde: Nach starkem Beginn hat sie auch für ihren großen Schlussgesang noch genügend Kraftreserven. Ihr Sopran bleibt immer warmtimbriert und schafft mühelos alle Spitzentöne. Eingeschränkt ist die Gesangsleistung von Michael Weinius. Er singt die schwere Partie des Siegfried mit zu wenig Kraftreserven und Durchschlagskraft und nicht allen Spitzentönen des dritten Aktes. Herausragend hört man hingegen Szilvia Vörös bei ihrem Rollendebüt als Waltraute. Die drei Nornen und die drei Rheintöchter singen alle auf Staatsopernniveau, ihre entbehrlichen Badekappen und Trockenschwimmübungen zwischen den Booten sind leider immer noch zu erleben. Untadelig, kräftig und durchsichtig singt auch der Chor des Hauses.
Im Graben musiziert das Orchester der Wiener Staatsoper unter Axel Kober mit wunderbarem Wohlklang, feiner Subtilität, kammermusikalischer Transparenz aber auch hochdramatischen Ausbrüchen, wobei einiges noch Dramatischer sein könnte.
Großer Jubel!
Dr. Helmut Christian Mayer
24. Mai 2022 | Drucken
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