
Ein silbriges Flimmern und irisierende Pianissimi vernimmt man schon bei den ersten Takten von Richard Wagners „Lohengrin“ an der Wiener Staatsoper aus dem Graben. Denn das Vorspiel, das von Franz Liszt, dem Dirigenten der Uraufführung, die 1850 in Weimar stattfand, als „Art Zauberformel“ bezeichnet wurde, mit seinen vielfach geteilten, in hoher Lage überirdisch spielenden Geigen, enthüllt die geheimnisvolle Gralswelt. Und auch während des weiteren Abend gelingt es dem Orchester der Wiener Staatsoper unter Christian Thielemann zum schimmernden und feinverwobenen Klanggemälde zu finden, mit dem diese Musik so fasziniert. Mit immenser Gestaltungskraft hält der deutsche Dirigent die Spannung, erreicht herrliche Valeurs, wunderbare Tonschönheiten, feinste Subtilität, ideale Balance und Facettenreichtum.
Und da dabei ganz besonders auf die Sänger Rücksicht genommen wird, danken diese es ihm mit tollen Schöngesang. Als Titelheld lässt Klaus Florian Vogt mit seinem hellen, knabenhaften Tenor keine Wünsche offen und absoluter Höhensicherheit. Besonders die Gralserzählung gelingt ihm wunderbar. Camilla Nylund singt die Elsa mit mädchenhafter Innigkeit, ungefährdet bis in die höchsten Höhen manchmal jedoch mit etwas zu viel Vibrato. Jordan Shanahan als Telramund ist neben Ortrud das Zentrum des Abends. Er singt ihn kraftvoll auftrumpfend und szenisch sehr aggressiv. Anja Kampe ist eine diabolische und hochdramatische Ortrud zum Fürchten. Weich, vom Volumen etwas zu zurückhaltend und mit kleinen Einschränkungen in der Höhe erlebt man Günther Groissböck als König Heinrich. Attila Mokus singt den Heerführer kräftig. Stimmgewaltig und sehr ausgewogen hört man den Wiener Staatsopernchor
Elsa scheint ihren Bruder Gottfried umgebracht zu haben. Denn während des Vorspiels kniet sie neben dem Kanal und fischt eine schwarze Mütze heraus. Ortrud beobachtet das Geschehen von einer dahinterliegenden Burg aus, was Elsa, die sich jetzt ihrer Männerkleider entledigt und ein blauweißes Kleid anzieht, jedoch nicht wahrnimmt. Davon geht diese Inszenierung aus, die seit 2024 an der Wiener Staatsoper, eine Übernahmevon den Salzburger Osterfestspielen aus 2022, gezeigt wird. So sehen dies zumindest das Regieteam Jossi Wieler und Giorgio Morabito. Es kommt also zu einer Umkehr von Gut und Böse. Denn hier wird Elsa zur Mörderin, während Ortrud und Telramund dies ja nur aufklären wollen und dadurch fast sympathisch wirken. Zweifellos ein neuer, sehr eigenwilliger Ansatz, der allerdings recht halbherzig gezeigt wird. Anderseits wird man wieder einmal mit Regieideen überfachtet: Der Krieg steht vor der Türe, überall herummarschierende Soldaten. Lohengrin, eine herumschlurfende, lächerlich wirkende Mixtur aus Lumpenritter und Superman, aus dessen Hosen eine Ritterrüstung bei den Knien hervorlugt, taucht völlig unheroisch aus dem Kanal auf. Schwan gibt es natürlich auch keinen. Der entehrte Telramund fuchtelt wie ein Terrorist mit einer Maschinenpistole herum. Nachdem sich der Gralsritter wieder davongemacht hat, holt Elsa eine blaugesichtige Kreatur aus dem Kanal. Es ist Gottfried, eine lebende Wasserleiche, der dann Elsa mit einem Schwert ersticht. Das alles passiert an einem hässlichen Kanal mit Aufbauten (Ausstattung: Anna Viebrock), die sich heben und senken lassen und auch als Festung gedeutet werden können.
Zum Schluss gibt es stehende Ovationen für die musikalische Realisierung!
Dr. Helmut Christian Mayer
29. April 2025 | Drucken
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