Wagners "Lohengrin" an der Wiener Staatsoper: Trachtenmodenschau in der Holzschachtel

Xl_lohengrin-wien-1-20-1 © Michael Pöhn

Es gibt ein Glück“: Zwei rote brennende Herzen aus einem Votivbild einer Wallfahrtskirche aus dem Eisacktal aus Südtirol hat man als Zwischenvorhang für den Szenenwechsel ausgewählt. Ein Bild von großer Symbolkraft, das auch im Hintergrund als kleines an der Wand hängt. Elsa trägt es, beinahe krampfhaft gehalten, öfters mit sich, sie glaubt daran und will das Glück festhalten. Ortrud wird jedoch nicht nur das Bild sondern auch das wirkliche Glück später bösartig zerstören.

Es ist ein rares Symbol in der Wiederaufnahme der Inszenierung von Richard WagnersLohengrin“ an der Wiener Staatsoper. Denn sonst geht es auf der Bühne recht zünftig zu. Denn zünftig schauen die Mannsbilder schon aus, mit ihren kurzen, krachledernden Hosen, ihren schmucken Jankern, den groben Wollstutzen, den genagelten Bergschuhen und ihren Hüten mit Gamsbart oder Federn. Fesch sind die Weiberleut’ in ihren bunten Dirndln und ihren geflochtenen Haarreifen. In einer wahren Trachtenmodeschau, immer wieder am Kitsch vorbeischrammend, zeigen Andreas Homoki und sein Ausstatter Wolfgang Gussmann die eigentlich märchenhafte, romantische Geschichte vom Schwanenritter und haben diese kurzerhand vom flachen Brabant in ein ländliches Bergdorf irgendwo in Bayern, in ein dörfliches Milieu verlegt, vielleicht um zu zeigen, dass hier die Konflikte direkter und greifbarer behandelt werden und weil man hier vielleicht noch an Wunder eher glaubt als in der Abgebrühtheit einer Stadt. Da wird Bier getrunken und geschunkelt und so mancher Konflikt ausgetragen. Dazu hat Homoki sich eine hässliche Holzkiste als Einheitsbühne bauen lassen, mit rustikalen Stühlen und Tischen, die immer wieder unterschiedlich zusammengeschoben werden und neue Spielflächen erschließen. So wird etwa der Messerkampf des Titelhelden mit Telramund auf den Tischen, wie es am Lande früher vielleicht manchmal so üblich war, ausgetragen. Aber bald fragt man sich nach dem Sinn dieser Konzeption, die der Oper keine neue Perspektiven bringt, ihr alles Edle und Erhabene und vor allem viel an Wirkung nimmt und einfach nicht Hand und Fuß hat.

Lustig ist es manchmal auch. Aber eher ungewollt, denn auch wenn sich der Verdacht vielleicht einschleicht, ironisieren wollte Homoki wahrscheinlich nicht. Er scheint den Plot schon ernst zu nehmen und zeigt auch schon die Vorgeschichte beim musikalischen Vorspiel. Da sieht man das Begräbnis von Elsas Vater dem Herzog von Brabant mit Elsa und ihrem kleinen Bruder Gottfried, der einen kleinen Schwan trägt. Und als zweite Einblendung erscheint Elsa im Hochzeitsgewand, die offensichtlich Telramund heiraten soll, ihm aber den Brautstrauß vor die Füße knallt, den dann Ortrud triumphierend aufhebt. Beim Erscheinen des Schwans führt der Chor jeweils ein händerhobenes Verzückungsritual durch, bei dem ein Plastikschwan herumgereicht wird, mit dem Ergebnis, dass Lohengrin im Büßerhemd wie ein Embryo zusammengekauert am Boden liegt, kein strahlender Held sondern ein schwacher Mensch wie jeder andere. Erst durch die Liebe von Elsa gewinnt er an Kraft und Boden.

Diesmal kam Lohengrin allerdings nicht mit per Schwan sondern mit dem Auto. Denn der auf Grund des kurzfristig erkrankten Piotr Beczala eingesprungene Klaus Florian Vogt konnte von Bayreuth mangels Nebel nicht Fliegen, sondern musste selbst mit dem Pkw nach Wien fahren. Und scheinbar so knapp, dass die Vorstellung etwas später beginnen musste, weil Dirigent Valery Gergiev noch wenigstens zwei Minuten vor Beginn mit ihm reden wollte, wie Staatsoperndirektor Dominique Meyer unmittelbar vor Vorstellungsbeginn erzählte. Aber für Vogt kein Problem, denn er sang den Gralsritter schon bei der Premiere dieser Produktion von 2014 und singt ihn auch diesmal sehr hell und lyrisch leicht, ja knabenhaft, sein nicht jedem gefallender Tenor ist aber durchaus mit Glanz ausgestattet. Er bewältigt die Partie mühelos mit allen Spitzentönen und das obwohl er die Gralserzählung teils am Boden liegend oder kauernd singen muss. Cornelia Beskow hat einen Namen den man sich merken sollte: Die junge Schwedin singt bei ihrem Staatsoperndebüt eine Elsa zuerst etwas verhalten aber dann immer souveräner mit mädchenhafter Innigkeit und allen mühelosen Höhen. Linda Watson, eine Wagner-erprobte Sängerin, ist erstmalig als bösartige und kraftvolle Ortrud zu erleben, die regelrecht Angst macht. Egils Silins singt seinen ersten Telramund acht- aber nicht immer hörbar. Ain Anger als König Heinrich hat mittlerweile an Stahlkraft eingebüßt und klingt in der Tiefe zuweilen etwas mulmig. Boaz Daniel ist ein kerniger Heerführer. Stimmgewaltig und klangschön aber nicht immer eines Sinnes mit dem Orchester hört man den Staatsopernchor (Einstudierung: Thomas Lang).

Irisierende Pianissimi Klänge und ein silbriges Flimmern vernimmt man schon bei den ersten Takten aus dem Graben. Nach anfänglichen, kleineren Unstimmigkeiten gelingt es dem Staatsopernorchester unter dem Dirigenten während des weiteren Abends zu einem schimmernden und feinverwobenen, aber auch spannenden, nur manchmal zu lautem Klanggemälde zu finden.

Jubel im Publikum!

Dr. Helmut Christian Mayer

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