Es ist die letzte Aufführungsserie von Andreas Homokis Interpretation von Richard Wagners „Lohengrin“ an der Wiener Staatsoper. Diese Inszenierung hat das Publikum eigentlich nie so richtig begeistert, denn in seiner Deutung aus 2014 hat er die märchenhafte, romantische Geschichte vom Schwanenritter kurzerhand vom flachen Brabant in ein ländliches Bergdorf des 19. Jahrhunderts,irgendwo in Bayern platziert. In einem hässlichen Holzkasten, er soll der Innenraum eines Gasthauses sein mit rohen Stühlen und Tischen lässt er alle Protagonisten und den Chor in Trachten auftreten. Und dort schauen die Mannsbilder schon recht zünftig aus, mit ihren kurzen, krachledernden Hosen, ihren schmucken Jankern, den groben Wollstutzen, den genagelten Bergschuhen und ihren Hüten mit Gamsbart oder Federn. Fesch sind die Weiberleut’ in ihren bunten Dirndln und ihren geflochtenen Haarreifen (Ausstatter: Wolfgang Gussmann). Da wird Bier getrunken und geschunkelt und so mancher Konflikt ausgetragen. Aber bald fragt man sich nach dem Sinn dieser Konzeption, die der Oper keine neuen Perspektiven bringt, ihr alles Edle und Erhabene und vor allem viel an Wirkung nimmt und einfach nicht Hand und Fuß hat. Beim Erscheinen des Schwans führt der Chor jeweils ein händerhobenes Verzückungsritual durch, bei dem ein Plastikschwan herumgereicht wird, mit dem Ergebnis, dass Lohengrin im Büßerhemd wie ein Embryo zusammengekauert am Boden liegt, kein strahlender Held sondern ein schwacher Mensch wie jeder andere.
Ab April kommenden Jahres wird man hier an der Staatsoper stattdessen die Regiearbeit von Sergio Morabito und Jossi Wieler sehen, die man schon den Salzburger Osterfestspielen 2022 kennt und in welcher die Geschichte als Kriminalfall gezeigt wird. Man wird sehen, wie diese vom Publikum hier in Wien angenommen wird.
Doch ist die sängerische Besetzung an diesem Abend so gut, dass die Inszenierung eigentlich fast zur Nebensache wird, ja man kann sogar von einem wahren Sängerfest sprechen: Allen voran ist Piotr Beczala der Glückfall eines Schwanenritters, den er gerade eben erst an der Metropolitan Opera in New York gesungen hat. Da passt jeder Ton, jede Nuance, jede glutvolle oder innige Leidenschaft. Er bewältigt die Partie mühelos mit allen Spitzentönen und dass obwohl er die Gralserzählung teils am Boden liegend oder kauernd singen muss. Ihm in nichts nachstehend ist Nina Stemme eine dämonische, böse, akzentreiche, mit großer Suggestionskraft ausgestattete Ortrud zum Fürchten. Tomasz Konieczny singt den Friedrich von Telramund stimmgewaltig sowie fassettenreich und beeindruckt auch szenisch. Etwas zurückhaltend aber mit mädchenhafter Innigkeit singt Camilla Nylund die Elsa von Brabant. Tareq Nazmi ist ein nobler aber etwas zu wenig präsenter König Heinrich der Vogler. Clemens Unterreicher singt den Heerrufer sehr kernig. Stimmgewaltig und klangschön und meist eines Sinnes mit dem Orchester hört man den Staatsopernchor (Einstudierung: Thomas Lang).
Der Musikdirektor der Wiener Volksoper Omer Meir Wellber steht am Pult des Orchesters der Wiener Staatsoper. Er setzt bei seinem überwiegend aufpeitschenden und großgestischen Dirigat weniger auf das Mystische und Verklärte, sondern auf südländische Glut, auf Tempo und Lautstärke, was es den Sängern nicht immer leicht macht.
Großer, uneingeschränkter Jubel im Publikum!
Dr. Helmut Christian Mayer
22. April 2023 | Drucken
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