Fast 50 Jahre alt war die Inszenierung von Otto Schenk. Zehn Jahre ist es her, dass sie zuletzt hier gezeigt wurde. Somit war es eigentlich hoch an der Zeit, an der Wiener Staatsoper eine Neuinszenierung von Richard Wagners „Die Meistersinger von Nürnberg“ ins Leben zu rufen. Diese wurde Keith Warner überantwortet, der Hans Sachs von Anfang an in den Mittelpunkt stellt und die Oper aus dessen Sicht als seinen Traum und teils sogar Albtraum eines leidenden Künstlers zeigt. Und der britische Regisseur zeigt das Innere des Schusters, auch seine Ängste und lässt seine traumhaften Assoziationen als grünen Kobold, Raben, goldenen Adler und Figuren aus verschiedenen Jahrhunderten der Vergangenheit aufleben. Man sieht dies in aus der Zeit gefallenen Plüsch- und Pastellkostümen (Kaspar Glarner) in einer variablen Bühne mit halbrunden Projektionsflächen und drehbaren Türmen, die dann zum Finale in mehreren Etagen das aufgereihte Volk zeigen (Boris Kudelička). Die Personenführung ist präzise und aus der Musik gearbeitet, hat Spannung, Stimmung und Witz. Man erlebt auch die widersprüchliche Zerrissenheit des alternden Witwers zwischen Tradition und Moderne, der beim Gesangswettbewerb im letzten Akt vor seinem eigenen Grab, das neben dem seiner zuvor immer wieder erscheinenden verstorbenen Frau liegt, niederkniet. Man erkennt aber auch, dass er Eva begehrt.
Und dass all diese Eigenschaften des Hans Sachs auch in vielen Fassetten wunderbar über die Rampe kommen, verdanken wir dem phänomenalen Michael Volle. Szenisch mit psychologischer Tiefe und stimmlich einfach exzellent. Seine melodiös elegante Strahlkraft und sein tiefes Selbstverständnis für diese fordernde Partie sind der erdende Ruhepol dieser Produktion. Er singt sie mit unerschöpflicher Energie und großer Wortdeutlichkeit.Ganz besonders fasziniert er mit dem „Wahnmonolog“. Und dann gibt es da noch zwei Sänger, die den Hans Sachs auch sonst immer wieder singen: Da ist einmal Wolfgang Koch als meist tollpatschiger, ungeliebter Kritiker Sixtus Beckmesser, ungemein fies als Merker und bei seinem finalen Auftritt in einer lächerlichen Zirkusfantasieuniform. Und da erlebt man Georg Zeppenfeld als wunderbar kultivierter Veit Pogner, Evas Vater. Diese wird von Hanna-Elisabeth Müller mit sicheren Höhen und viel Lyrik gesungen. Ihr geliebter Ritter Walther von Stolzing wird von David Butt Philip klangschön und höhensicher aber mit etwas zu kleinem Tenor gesungen. Komödiantisch und mit dem idealen Tenor für diese Rolle ausgestatt, singt Michael Lorenz den David. Monika Bohinec ist eine exzellente Magdalene, Martin Häßler ein solider Fritz Kothner. Auch die vielen kleineren Partien wie auch der Chor der Wiener Staatsoper (Einstudierung: Thomas Lang) singen tadellos.
Und dazu gibt es auch aus dem Graben nur Positives zu berichten, denn Philippe Jordan, der schon bei seinen Auftritten demonstrativ mit Jubel bedacht wird und das Orchester der Wiener Staatsoper musizieren mit großer Klangästhetik, mit einem Kosmos an Schattierungen und Farben sowie immer ausgewogen und akzentuiert.
Riesenjubel beim restlos begeisterten Publikum im völlig ausverkauften Haus!
Dr. Helmut Christian Mayer
23. Dezember 2022 | Drucken
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