„Unverantwortlicherweise sind die Damen mit der Bewachung eines hochbrisanten Wertobjektes, des sogenannten Rheingoldes betraut, ohne im Mindesten hierfür geeignet zu sein….Wenn die Rheintöchter, sagen wir mal, etwas entgegenkommender gewesen wären, hätte man sich weitere drei aufwändige Opern ersparen können. Das sollte zu denken geben“: Loriot, der eigentlich Vico von Bülow hießund selbst ein großer Wagner Verehrer war, bringt es mit seinem unvergleichlichen, feinen, ironischen Humor und seinen sprachakrobatischen Formulierungen wieder einmal auf den Punkt, wenn er die Geschichte des berühmten „Ring des Nibelungen“ von Richard Wagner erzählt. Und er nimmt sich das Recht heraus, diesen um 12 Stunden auf gut drei Stunden herunter zu kürzen. Und so gelingt es, das größte und vor allem längste Drama der Operngeschichte statt an vier nur an einem Abend zu präsentieren.
Eigentlich wollte die Oper Leipzig, wo im Juni/Juli des Jahres 2022 unter dem Titel „Wagner 22“ alle 13 seiner Opern geplant sind, dieser Tage ja zwei komplette „Ring“ Zyklen aufführen. Die Pandemie machte diese Pläne allerdings wieder einmal zunichte. Deshalb entschloss sich der Intendant und Generalmusikdirektor Ulf Schirmer den mittlerweile schon berühmten „Ring an einem Abend“ vom legendären Humoristen Loriot ohne Publikum aufzuführen, dafür aber zu streamen.
Als Erzähler fungierte Axel Bulthaupt, renommierter deutscher TV und Radio Moderator sowie Reiseberichterstatter. Leider war sein Vortrag der Geschichte des „Rings“, der die einzelnen musikalischen Szenen verbindet, zu trocken und es fehlte ihm am schalkhaften, subtilen Humor von Loriot.
Dies machte jedoch das Leipziger Gewandhausorchster unter der Stabführung ihres Chefs Ulf Schirmer mühelos wett. Wunderbar austariert, farben- und fassettenreich wurde musiziert, mit großangelegten Steigerungen und mit nie erlahmender Spannung, wobei alle wesentlichen Schlüsselstellen erklangen: Sei es bei den Vorspielen zum „Rheingold“ und zur „Walküre“ mit großer Dramatik. Sei es hochemotional bei „Wotans Abschied“ und beim „Feuerzauber“. Der Trauermarsch und „Brünnhildes Schlussgesang“ inklusive Finale der „Götterdämmerung“, bei welcher die bewährte und mehrfach Bayreuth-erprobte Sopranistin Iréne Theorin mit allen ihren perfekten Spitzentönen kraftvoll faszinierte, gerieten überhaupt zum Ereignis.
Etwas durchwachsen war allerdings sonst die Qualität der vielen Protagonisten, die bei dieser Kurzfassung des „Rings“ auftraten, wobei alle nur kurze Ausschnitte aus ihren Rollen sangen: So wirkte Kay Stiefermann als Alberich zu wenig dämonisch. Für Tuomas Pursio war der „Rheingold“-Wotan zu hoch, auch war seine Intonation nicht optimal. Hingegen konnte der weltweit als Wotan bekannte Iain Paterson auch hier in Leipzig in dieser Rolle in der „Walküre“ und als Wanderer im „Siegfried“ mit seiner Qualitätsstimme überzeugen. Magnus Vigilius als Siegmund wirkte zu leicht, mit zu wenig tenoraler Substanz. Elisabet Strid sang die Sieglinde sehr farbenreich. Thomas Mohr war eine luxuriöse Besetzung als Loge. Der Sopran der Lise Lindstrom war für die „Walküre“-Brünnhilde zu schlank und zu wenig dramatisch. Besser wirkte Daniela Köhler hingegen als „Siegfried“-Brünnhilde. Dan Karlström war ein guter Mime, für den jungen Sebastian Pilgrim kam der Hagen noch zu früh und er klang etwas verschattet. Michael Weinius wirkte als junger Siegfried ziemlich angestrengt, wohingegen Jonathan Stoughton als Siegfried in der „Götterdämmerung“ mit toller tenoraler Substanz und sicheren Höhen beeindrucken konnte. Die meisten der vielen kleineren Partien gefielen auch.
Dr. Helmut Christian Mayer
21. April 2021 | Drucken
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