Zugegeben, man war anfangs wieder etwas skeptisch, wie es wohl gelingen würde, Richard Wagners „Siegfried“ auf der Bühne des doch nicht allzu großen Klagenfurter Stadttheaters zu realisieren, denn das Werk stellt ja bekanntlich höchste Anforderungen an Sänger und Musiker und auch für jedes größere Haus eine immense Herausforderung dar. Aber die Skepsis verflog schnell, als man das Ergebnis bei der zu recht umjubelten Premiere sah.
Eigentlich müsste die Oper diesmal „Mime“ heißen, denn wie Thomas Ebenstein diese Rolle im zweiten Teil von Wagners Tetralogie „Der Ring des Nibelungen“ gestaltet, ist einfach erstklassig. Verschlagen, listig, teils witzig gibt er der Partie schauspielerisch ein ausgeprägtes Profil. Der gebürtige Kärntner, seit 11 Jahren Ensemblemitglied an der Wiener Staatsoper, singt ihn auch mit seinem idealen Tenor ausdruckstark und nuancenreich. Er bekam auch zum Schluss zu Recht den meisten Applaus und wird den Mime demnächst an der Met in New York singen.
Aber auch sonst ist das überwiegend sehr wortdeutliche Sängerensemble bei der diesjährigen Eröffnungspremiere von meist hohem Niveau: Den Wotan, der sich jetzt Wanderer nennt, singt wie schon in der „Walküre“ Markus Marquardt. Er ist ein edler, fein differenzierter und sehr präsenter Gott.Er liefert sich auch ein eindringliches Duell mit Alberich, der von Stefan Heidemann mit kernigem, kraftvollem Bariton gesungen wird. Tilmann Unger als Siegfried verfügt über einen nicht allzu großen Tenor. Er muss in dieser gefürchteten, mörderisch schweren, Kräfte raubenden Partie immer wieder die höchsten Töne stemmen. Und doch hat er auch für das lange Finale immer noch notwendige Kraftreserven. Rafal Pawnuk ist ein machtvoller, schwarzer Fafner, Aytaj Shiklalizada eine dunkel gefärbte Erda, mit etwas zu viel Vibrato. Ava Dodd ist ein glasklarer, etwas schriller Waldvogel. Und Brünnhilde Yanhua Liu verfügt über eine beeindruckende Riesenstimme, ist aber kaum textverständlich, differenziert zu wenig und singt beinahe im Dauerforte.
Nicholas Milton weiß im Kärntner Sinfonieorchester große Klangpracht zu entfalten, lässt detail- und farbenreich musizieren, ohne dabei die Sänger zuzudecken. Manchmal nimmt er es aus lauter Sängerfreundlichkeit doch etwas zu sehr zurück.
Aron Stiehl erzählt beim „Siegfried“, bei dem nie mehr als zwei Personen auf der Bühne stehen, die Geschichte ganz klar und einfach sowie durchaus auch mit Witz. Er konzentriert sich, bei seiner durchdachten Personenführung mit vielen klugen Details gekonnt auf die Gefühle, Stimmungen und Beziehungen der Protagonisten ohne auf irgendwelche mythologischen und aktualisierenden Deutungen einzugehen. Ziemlich angekramt ist die Bühne im ersten Akt, mit einem Kinderwagen, einem schaukelnden Reh und allerlei zerstreuten Müll, auch die demolierte Gondel ist wieder da. Hier hausen Mime und Siegfried. Im zweiten Akt sieht man einen Wald, der Kampf mit Fafner findet mit Spiegeleffekten spektakulär und furchterregend in einem riesigen Drachenmaul statt. Der letzte Akt spielt etwas nüchtern vor einer sich drehenden Eisenskulptur (Ausstattung: Okarina Peter und Timo Dentler), wo die schlafende Brünnhilde von Siegfried erweckt wird.
Zum Schluss gab es großen Jubel und stehende Ovationen!
Dr.Helmut Christian Mayer
19. September 2022 | Drucken
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