© Michael Pöhn
Riesig, beinahe die gesamte Hinterbühne ausfüllend, zum Fürchten bedrohlich grün ist das Auge des Drachen, das sich bei dessen Tode blutrot färbt. Direkt in diesem Auge lässt Sven-Eric Bechtolf den Kampf des Titelhelden als Videoprojektion ablaufen. Tödlich verletzt erscheint dann noch der blutige Fafner als Riese von der Unterbühne in die Höhe fahrend, in eine Reptilhaut eingewickelt: So spektakulär lässt der deutsche Regisseur diese Schlüsselszene ablaufen. Poesievoll lässt er andererseits die schlafende Brünnhilde vom Titelhelden aus durchscheinenden Seidentüchern auswickeln. Ansonsten erzählt Bechtolf bei "Siegfried" von Richard Wagner, bei dem nie mehr als zwei Personen auf der Bühne stehen, schlicht und einfach die Geschichte. Er konzentriert sich, bei seiner durchdachten Personenführung im grauen Einheitsraum von Rolf Glittenberg mit entweder mehreren Schmiedetischen oder flüchtenden Tieren an den Wänden und in den Kostümen von Marianne Glittenberg gekonnt auf die Gefühle, Stimmungen und Beziehungen der Protagonisten ohne auf irgendwelche Deutungen einzugehen.
Er ist beinahe ständig auf der Bühne. Er muss in dieser gefürchteten, mörderisch schweren, Kräfte raubenden Partie immer wieder die höchsten Töne stemmen. Und doch hat er auch für das lange Finale immer noch solche notwendigen Kraftreserven, dass sein Tenor in den dramatischen Ausbrüchen wie auch in den lyrischen Passagen hörbar strahlt: Der schwedische Tenor Michael Weinius ist bei seinem Rollendebüt an der Wiener Staatsoper ein imposanter Siegfried mit bemerkenswerter Kondition.
Aber auch sonst ist das überwiegend sehr wortdeutliche Sängerensemble im zweiten Teil von Richard Wagners Tetralogie an der Wiener Staatsoper erstklassig: Nina Stemme als Brünnhilde singt alle Spitzentöne mühelos. Zudem passt ihr blühender, weicher Sopran ideal zur Verwandlung von Wotans Lieblingswalküre in eine liebende Frau. Schon ihr „Heil dir Sonne, heil dir Licht“ erzeugt wohliges Entzücken. Den Wotan, der sich jetzt Wanderer nennt, singt Simon Neal, für den indisponierten John Lundgren kurzfristig eingesprungen, im Vollbesitz seiner stimmlich mächtigen und auch darstellerischen intensiven Fähigkeiten mit dominanter, „göttlicher“ Bühnenpräsenz. Er liefert sich auch ein eindringliches Duell mit Alberich, der von Jochen Schmeckenbecher mit kernigem Bariton gesungen wird. Erstklassig und gleich verschlagen, wenn auch weniger erfolgreich, hört man auch seinen Bruder Mime, der von Jörg Schneider mit idealem Charaktertenor ausdruckstark gesungen wird. Dmitry Belosselskiy ist ein machtvoller, schwarzer Fafner, Noa Beinart eine dunkel gefärbte Erda, Joanna Kedzior ein lieblicher Waldvogel.
Axel Kober weiß im Orchester der Wiener Staatsoper große Klangpracht zu entfalten, ohne dabei die Sänger zuzudecken. Es wird detail- und farbenreich musiziert, wobei man sich allerdings manchmal ein Mehr an Emotionen und Spannungen gewünscht hätte.
Viel Applaus!
Dr. Helmut Christian Mayer
18. Mai 2022 | Drucken
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