Wagners "Tristan und Isolde" an der Wiener Kammeroper im reduzierten Westentaschenformat

Xl_tristan_experiment_5__herwig_prammer-wien-5-21-2 © Herwig Prammer

Es ist nie unproblematisch, ein vom Komponisten an sich orchestral groß dimensioniert erdachtes Werk in eine kammermusikalische Fassung zu pressen. Das Theater an der Wien wagt das Experiment, noch dazu mit Richard Wagners „Tristan und Isolde“, für Wagnerianer ein klangliches Narkotikum: In der Fassung für Kammerorchester von Matthias Wegele sitzen nur 20 Musiker im Graben, fünf Solisten singen und das Werk ist auf gut drei Stunden inklusive einer Pause verkürzt. Aber siehe da: Das „Tristan Experiment“, so der Aufführungstitel, ist überwiegend geglückt, denn die Kürzungen erfolgen übergangslos und kaum merkbar. So geht etwa die Schlussszene des ersten Aktes ohne Übergang direkt in das Liebesduett über.

Und trotz der wenigen Orchestermusiker ist beim Wiener KammerOrchester unter Hartmut Keil ein erstaunlich voller Klang mit vielen Farben zu vernehmen. Allerdings hätte man sich manchmal sogar weniger Lautstärke, dafür mehr Feinheiten gewünscht. Da wäre mehr Berücksichtigung auf die Akustik des doch kleinen Saals der Kammeroper notwendig gewesen.

Das gleiche gilt auch teilweise für so manche  Sänger, die sich teilweise etwas zurücknehmen hätten sollen aber bei allen ist eine enorme Textverständlichkeit zu vernehmen. Kristina Kaiser legt eine beeindruckende Isolde hin, mit Stimmstärke, Heroismus und Leidenschaft und ist bis zum Finale bei ihrem „Liebestod“ faszinierend. Norbert Ernst entfaltet sich ganz besonders im letzten Akt bei seinem mörderischen Fiebermonolog und kann diesen sehr expressiv mit unermüdlichen Kraftreserven und Höhen meistern. Juliette Mars ist eine etwas scharfe Brangäne, Kristján Jóhannesson ein sehr präsenter Kurwenal und Melot. Und Günther Groissböck,der vor vielen Jahren am Stadttheater Klagenfurt als Sarastro sein Bühnendebüt überhaupt gab,singt den König Marke sehr nuanciert, mit seinem wunderbar weichen und kraftvollen Tönen seines Luxusorgans.

Zudem gibt der niederösterreichische Sänger hiermit sein Regiedebüt, wobei er über die eigentliche Handlung eine neu erdachte Geschichte darüberstülpt. Man sieht einen kleinen, weißen, fast sterilen Raum mit sich schnell verengender Perspektive.  Auf diesen werden immer wieder die unterschiedlichsten, teil psychedelischen Bilder – etwa ein Sternenhimmel beim Liebesduett – projiziert. Hier läuft ein klinisches Experiment ab: Zwei Menschen werden auf Behandlungsstühlen mit Festschnalleinrichtung unter Drogen gesetzt und bekommen Visionen: Zuerst werden sie zu Tristan und Isolde, nach dem Konsum des Liebestranks verwandeln sie sich auch optisch gar in Richard Wagner und Mathilde Wesendonck und tragen historische Kostüme. Man erkennt auch im Hintergrund die Villa Wesendonck aus Zürich. Es war eine tatsächliche, unerfüllte Liebschaft des Komponisten mit dieser verheirateten Frau, die auch die Grundlage dieser Oper wurde. So ungewöhnlich diese Konzeption auch ist, sie ist nachvollziehbar und auch die eigentliche Personenführung bleibt verständlich.

Viel Applaus!

Dr. Helmut Christian Mayer

| Drucken

Mehr

Kommentare

Loading