Sein Kopf ist voller Glühbirnen. Er ist mehrere Meter hoch, eine Mischung aus Totenschädel und Draculakopf, aus Kuschelmonster und Geisterbahngespenst mit einem meterlangen weißen Gewand: Das ist „Oberon, der König der Elfen“, zumindest so wie ihn Nikolaus Habjan sieht. Es ist der Titelheld aus Carl Maria von Webers letzter Oper, einer romantischen Feenoper am Theater an der Wien, in einer Koproduktion mit der Bayerischen Staatsoper München, wo diese Produktion schon im Sommer 2017 bei den Münchner Opernfestspielen gezeigt wurde. Komponiert wurde das Stück für das Royal Opera House Covent Garden, den barocken Masques eines Henry Purcell nachempfunden und hier auch uraufgeführt 1826. Aber das Werk erreichte nie die Popularität eines „Freischütz“ und fristet ein eher kümmerliches Dasein am Repertoirerand. Der Grund dafür liegt aber nicht bei der Musik, sondern am englischen Libretto von James Robinson Planché. Die Übersetzung ins Deutsche besorgte Theodor Hell.
Das unsägliche Libretto hat mit William Shakespeare wenig zu tun, sondern kreist um eine abenteuerliche Heldenstory eines Hüon de Bordeaux, der die nicht unwillige Kalifentochter Rezia nach Europa bringen soll und deren Treue, worüber Oberon und Titania einen handfesten Streit hatten, wiederholt auf die Probe gestellt wird.
Ob dieses fantastische Mittelaltermärchen heute noch funktionieren kann, da hatte auch Regisseur, Puppenerschaffer und Puppenspielmeister Nikolaus Habjan große Zweifel. Deshalb erfand er eine Rahmenhandlung und zeigt dabei einerseits ein nüchternes Versuchslaboratorium (Bühne: Jakob Brossmann) mit einem Experiment der Hirnforscher Oberon und Titania, die rauskriegen wollen, ob Treue überhaupt möglich ist. Und andererseits zeigt er einen mitunter etwas überdrehten, bunten Klamauk-Reigen, der jedoch wegen der mitunter viel zu langatmigen Sprechtexte, denen eine empfindliche Kürzung gut getan hätten, zwischendrin an Schwung einbüßt. Dabei fällt leider auch die Sommernachtstraum-Stimmung unter den Tisch.
Stars dieser Produktion sind die Puppenspieler Manuela Linshalm, Daniel Frantisek Kamen und Sebastian Mock, die auch drei Pucks verkörpern. Sie lassen nicht nur den Riesen Oberon als übernatürliche Macht leibhaftig werden sondern auch die lebensgroßen Klappmaulpuppen einer hässlichen Alten und ihres trottelhaften Ehemanns sowie die feige Haremswache oder den präpotenten Verlobten Rezias, den Hüon einfach absticht. Die Puppen mit ihren ausdrucksstarken Köpfen und flatternden Stoffkörpern kichern, stöhnen und schnarren, dass es eine wahre Freude ist. Das ist Kasperltheater von höchster Güte und gefällt auch dem Publikum. Sie übertreiben völlig grotesk hemmungslos und auf das Schönste, ohne ein einziges Mal albern zu wirken. Hingegen wirkt der Klamauk bei den Sängermenschen teils aufgesetzt.
Von recht unterschiedlicher Qualität hört man das Sängersensmble: Mauro Peter ist ein gestandener und sehr kraftvoll singender Oberon, Juliette Mars ist seine keifende Gattin Titania. Annette Dasch singt die Rezia recht ansprechend aber nicht außergewöhnlich. Mit wunderbarer Stimmkultur lässt die junge Natalia Kawalek als Fatime aufhorchen, ein Versprechen für die Zukunft. Vincent Wolfsteiner ist ein recht eindimensionaler, wenig subtiler Hüon. Kernig hört man Daniel Schmutzhard als Knappe Sherasmin. Wunderbar wie immer und auch ungemein spielfreudig erlebt man den Arnold Schoenberg Chor (Leitung: Erwin Ortner).
Feenzauber, Leidenschaft, Verzweiflung, Komik all dies findet man meisterhaft in der Musik. Sie wird vom extrem temperamentvoll gestikulierenden Thomas Guggeis und dem nicht immer ideal disponierten Wiener Kammerorchester, bei dem leider auch immer wieder Intonationsprobleme zu hören sind, wiedergegeben. ´
Zum Schluss gab es sehr viel Applaus ohne den kleinsten Widerspruch!
Dr. Helmut Christian Mayer
18. Mai 2019 | Drucken
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