Rassenkonflikte, Bandenkriminalität, hohes Aggressionspotential bei Jugendlichen: Auch nach mehr als 65 Jahren ist die „West Side Story“ von Leonard Bernstein (Musik), Stephen Sondheim (Text) und Jerome Robbins (Idee und seinerzeitige Choreografie), die 1957 am Broadway uraufgeführt wurde, erschreckend aktuell. Genauso sieht dies Lotte de Beer und zeigt an der Wiener Volksoper eine gegenwärtige, schonungslos drastische Version des amerikanischen "Romeo und Julia" Dramas. Sie konzentriert sich dabei auf die Charaktere, ist extrem hoch im Tempo und präzise in der Personenführung, besonders auch bei den extremen Kampfszenen der verfeindeten amerikanischen Jets und puertoricanischen Sharks: Insgesamt packt die Inszenierung der Intendantin des Hauses voll von Details und Ideen vor allem in Kombination mit der mitreißenden und spektakulären Choreographie von Bryan Arias. In einer eigenen Traumsequenz wird eine mögliche Idylle eines eigenen Hauses und der Versöhnung zwischen den beiden Gruppen vorgespielt. Für die schnellen Szenenwechsel genügen eine drehbare, von beiden Seiten bespielbare, schwarze Wand (Bühne: Christoph Hetzer). Diese wirkt jedoch ziemlich trostlos, zu minimalistisch, von New York ist weit und breit nichts zu sehen.
Die deutschen Dialoge stammen von Marcel Prawy. Gesungen wird auf Englisch und das überwiegend sehr gut: Jaye Simmons ist eine wunderbar berührende, mit opernhaftem Einschlag singende Maria. Anton Zetterholm singt und spielt Tony eindringlich mit lyrisch-expressivem Tenor. Beide können vor allem mit den Hits „Maria“ und „Tonight“ punkten. Myrthes Monteiro als bühnenpräsente Anita ist ein Klasse für sich. Da passt jede Geste, ihr Gesang ist ungemein pointiert.Weiters herausragend aus dem insgesamt sehr guten Ensemble: Lionel von Lawrence als Bernardo, Oliver Liebl als Riff und Peter Lesiak als Action.
Bernsteins hinreißende Musik mit mitreißenden Rhythmen und herrlichen Lyrismen wird vom neuen Musikdirektor des Hauses Ben Glassberg am Pult des Volksopern-Orchesters mit Energie, Latino-Verve und Intensität, allerdings manchmal mit zu greller Lautstärke beim Blech und zu straffen Tempi interpretiert.
Riesiger Jubel im ausverkauften Haus mit vielen jungen Menschen im Publikum!
Dr. Helmut Christian Mayer
02. Februar 2024 | Drucken
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