Selbst eingefleischte Opernliebhaber werden mit dem Namen Franco Leoni wenig anzufangen wissen. Dabei schrieb der 1864 in Mailand geborene und 1949 in London verstorbene Komponist neben anderen Werken mehrere interessante, veristische Opern. Nach dem Erfolg seiner ersten Oper „Raggio di luna“ übersiedelte er nach London, wo mehrere seiner Opern am Royal Opera House Covent Garden uraufgeführt wurden. Seine erfolgreichste nennt sich „L’oracolo“, ein Einakter, der 1905 in der britischen Hauptstadt das erste Mal gezeigt wurde. Jetzt nahm sich das Wexford Opera Festival, das es sich zur Maxime gemacht hat, ausschließlich Opernraritäten oder vergessene Musikdramen aber von hoher Qualität in diesem kleinen Städtchen an der Südostküste Irlands zu zeigen, dieses Werkes an. Die dunkle und grausame Geschichte handelt von einem Besitzer einer Opiumhöhle in Chinatown von New York. Dieser entführt ein Kind und schreckt auch nicht vor einem Mord zurück, um seinen Nebenbuhler loszuwerden, was er letztlich selbst auch mit dem Leben bezahlen muss.
Rodula Gaitanou belässt den Plot dort, wo er und wann er spielen soll. Ein aus Backsteinziegeln gebautes, mehrstöckiges und sich drehendes Haus mit den Aufschriften der des Kaufmanns oder des Arztes verortet die jeweiligen Schauplätze (Ausstattung: Cordelia Chisholm). Sehr lebendig, glaubhaft und virtuos werden alle Figuren, auch in den Massenszenen geführt.
Diese singen auch in der dritten Produktion zweier Einakter von Wexford sehr beeindruckend: Der Mörder und Opiumhöhleninhaber Cim-Fen wird von Joo Won Kang mit brutaler Bösartigkeit gespielt und gesungen. Sein Opfer und Nebenbuhler Uin-San-Lui leiht Sergio Escobar seinen anfänglich noch leicht unsicher wirkenden, aber bald durchschlagskräftigen und strahlenden Tenor. Das Objekt ihrer beider Begierde Ah-Joe wird von Elisabetta Farris schönstimmig und höhensicher gesungen. Leon Kim singt den Arzt Uin-Sci ungemein weich und warm. Der reiche Kaufmann Hu-Tsi wird von Benjamin Cho ideal wiedergegeben. Auch der großbesetzte Chor des Hauses und der Kinderchor gefallen stets mit vitalem Spiel und Gesang.
Francesco Cilluffo hat das Orchester des Wexford Opera Festivals fest im Griff und weiß aus der farbenreichen und abwechslungsreichen Partitur des veristischen Edelreißers von Franco Leoni, die vielfach an Puccini erinnert, mitreißend viele Emotionen wiederzugeben. Dies gilt auch für den zweiten Einakter, den man mit diesem Werk zusammengespannt hat, von Umberto Giordanos „La mala vita“. Diese Oper hatte ihre Uraufführung 1892 in Rom, wo das Publikum so enthusiastisch reagierte, dass die Protagonisten 24 Male vor den Vorhang treten mussten. Sie ist wieder eine zu Unrecht vergessene Rarität dieses italienischen Komponisten, der hauptsächlich wegen seiner Opern „Andrea Chenier“ und mit Abstrichen „Feodora“ bekannt ist.
Auch hierbei glänzen wieder einige Sänger aus dem ersten Einakter wie Sergio Escobar als Vito, um dessen Gunst diesmal mit umgekehrten Vorsätzen gleich zwei Frauen buhlen, mit tollem Tenor. Leon Kim weiß dem betrunkenen Annetiello starkes Profil zu verleihen. Dorothea Spilger geht als schönstimmige Amalia letztlich als Siegerin hervor und bekommt ihren Vito. Bei der kraftvoll singenden Francesca Tiburzi als Christina wird der Sopran in der Höhe manchmal recht schrill.
Auch hier herrscht wieder in der Regie von Rodula Gaitanou große Lebendigkeit im Spiel. Die Kulisse mit dem sich drehenden, dominanten Haus ist die gleiche, nur finden sich jetzt statt der englischen, italienische Aufschriften darauf, da der Plot eigentlich in Neapel spielt.
Auch diese beiden Einakter wurden vom Publikum mit heftigem Applaus bejubelt!
Helmut Christian Mayer
02. November 2018 | Drucken
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