Wien: Das Volksopernorchester unter dem neuen Musikdirektor Omer Meir Wellber bei seinem Debütkonzert im Konzerthaus

Xl_meir_wellber-copyright_peter_meisel-volksoper_wien-9-22 © Peter Meisl

Knifflige Doppelgrifftechnik, Flageoletts, Zweiunddreißigstel-Noten: Die große Solokadenz des einzigen Violinkonzertes von Peter Iljitsch Tschaikowsky ist für jeden Solisten eine extreme technische Herausforderung. Nicht jedoch für Midori, die im Wiener Konzerthaus alle tückischen Klippen des gesamten Werkes mit Bravour und energischer Attacke zu umschiffen wusste. Und die aus Japan stammende Künstlerin, die seit 40 Jahren zur Geigenelite zählt, blieb auch nicht zu sehr auf der virtuosen Oberfläche, sondern konnte auch mit einem tiefen, berührenden Ausdruck, insbesondere bei der Kanzonetta des zweiten Satzes beeindrucken. Absolut rein war stets die Tongebung, fein die dynamischen und farblichen Nuancen, insbesondere ihre Piani. Allerdings liebte sie und der Dirigent enorme, für das Orchester der Wiener Volksoper kaum mehr spielbare Tempi, speziell im letzten Satz. Zwei Zugaben für Solovioline von Bach.

Überhaupt war es das Debütkonzert des neuen Musikdirektors der Wiener Volksoper Omer Meir Wellber, der den ganzen Abend teils hüpfend, teils mit großgestischer, teils sogar hektischer Stabführung agierte, was insbesondere bei der 9. Symphonie von Dmitri Schostakowitsch feststellbar war: Eine Siegessinfonie, ein heroisches Werk für Stalin war nach dem Sieg über Deutschland von der Sowjetführung erwartet worden, eine Provokation und Parodie war es geworden. Obwohl es insgesamt etwas an Feinschliff mangelte, wurde sie von den hochmotivierten Musikern mit ansteckender Lebendigkeit gespielt und dem neoklassizistischen Gestus mit seinem stechenden, grotesken Sarkasmus und seiner Doppelbödigkeit voll gerecht.

Dazwischen war noch das Stück „Marionettes“von der anwesenden, usbekischen Komponistin Aziza Sadikova zu hören, das Meir Wellber vom Cembalo aus leitete. Zu erleben waren gut anhörbare komplexe Struktur- und Rhythmuskomponenten, vieltönige Akkorde und Cluster, die das Orchester hochambitioniert spielte.

Riesenjubel nach allen Stücken!

Dr. Helmut Christian Mayer

 

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