Wien: Ein dämonischer Bösewicht bei Offenbachs „Les Contes d’Hoffmann“

Xl_hoffmann-wien-12-24-2 © Michael Pöhn

Ungemein intelligent und mitreißend ist die Inszenierung von Andrei Serban aus 1993 von „Les Contes d’Hoffmann“ von Jacques Offenbach, die jetzt an der Wiener Staatsoper wiederaufgenommen wurde.  Fantasievoll, detailreich ist die Ausstattung von Richard Hudson: Üppig, opulent, bildmächtig, gespenstisch bevölkern Retro-Spukwelten in tollen, fantasiereichen Kostümen die Bühne. In einem, sich mit eilig verengender Perspektive gestalteten Einheitsraum, der vollständig mit Pergament und Tintenklecksen des Dichters verkleidet ist, erlebt man im Olympia-Akt unheimliche Vitrinen mit einem Totengerippe, riesigen aus den Wänden herausquellenden Augen und allerlei Wundermaschinen. Oder ein bis auf den Fluchtpunkt sich erstreckendes, zugespitztes Klavier in dunkler, gespenstischer Umgebung im Antonia-Akt oder angedeutete Sofa-Gondeln im Giulietta Akt. Mit magischem Licht, Pyrotechnik und Feuereffekten angereichert, gelingt Serban darin eine vitale, detailverliebte, stimmige Inszenierung.

Bis auf wenige Ausnahmen ist es diesmal ein Abend mit lauter Rollendebüts an der Wiener Staatsoper. Dabei sticht einer ganz besonders hervor:  Alex Esposito, ein bühnenpräsenter Bösewicht, wie man sich ihn idealer nicht vorstellen kann mit seinem dunklen, kraftstrotzenden Organ, markig und zynisch, und auch nicht an Dämonie und öliger Eleganz mangelnd. Er singt und spielt den Lindorf, Coppelius, Miracle, Dapertutto ganz vortrefflich. Angela Brower als Muse/Niklausse verfügt über einen schönen Mezzo mit viel Überzeugungskraft. Serena Sáenz ist eine entzückende Olympia, bei der die Koloraturen ganz natürlich und sauberst nur so herausperlen. Sie verzaubert das Publikum auch durch ihr puppenhaftes Spiel. Und sie weiß auch als bildhübsche und kokette Kurtisane Giulietta zu begeistern. Nicole Car als Antonia fasziniert mit ihrem sinnlichen Sopran und schönen Höhen. Von den vielen kleineren, durchwegs gut singenden Partien ist vor allem Thomas Ebenstein – er ist kein Debütant - als Andrés, Chochenille, Frantz, Pitichinaccio besonders hervorzuheben, der mit seiner großen Szene als Frantz das Publikum zum Lachen bringt. Und der Titelheld? John Osborn hat für den glücklosen Dichter leider zu wenig Präsenz und anfänglich zu wenig Kraft. Er kann sich jedoch steigern und bald lassen seine Höhen aufhorchen. Der Chor der Wiener Staatsoper (Einstudierung: Thomas Lang) singt klangschön und ist meist eines Sinnes mit dem Graben.

Hier waltet Bertrand De Billy, der im gut disponierten Orchester der Wiener Staatsoper sehr sängerfreundlich, etwas zu zurückhaltend agiert, ja teils kammermusikalischen Sound und viele Feinheiten erzeugen kann. Ein Mehr an Akzenten und reicherem Klang wäre jedoch wünschenswert gewesen.

Großer Jubel!

Dr. Helmut Christian Mayer

 

 

 


 

 

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