Der Raum ist dunkel, ja schwarz und er wirkt völlig trostlos. Mit seinen winzigen, matten Lichterketten schaut er wie ein endloser, sich nach hinten verengender Tunnel aus, an dessen Ende allerdings kein Licht der Hoffnung zu sehen ist: Ein starkes Symbol, denn hier treibt „Macbeth“ sein Unwesen oder besser gesagt, seine machtgierige Frau die Lady Macbeth, die ihn in einen blutigen Reigen von Mord und Intrigen treibt. Giuseppe Verdis Oper in der Inszenierung von Barrie Kosky aus 2021, die eigentlich aus 2016 aus Zürich stammt, wird jetzt wieder an der Wiener Staatsoper aufgeführt. Abseits vom Schrillen, was man üblicherweise bei ihm kennt, zeigt der aus Australien stammende Regisseur das auf Shakespeare basierende Drama als völlig minimalistisches, dunkles Kammerspiel. Mit meist nur mit einem oder zwei Lichtspots beleuchtet sieht man meist nur zwei Personen gleichzeitig und zwei Sessel. Sonst ist die schwarze Bühne völlig leergeräumt. Hier passiert fast nichts. Es wird zwischen den Personen fast auf jede Interaktion verzichtet. Der Staatsopernchor singt meist aus dem Off. Nur beim bekannten Chor „Patria oppressa“ darf er an der Rampe singen. Dieser ist wie alle Protagonisten in Schwarz gekleidet. Immer wieder tauchen nackte Kreaturen auf, die Macbeth umgarnen und deren Sinnhaftigkeit bis zum Schluss fragwürdig bleibt.
Im Gegensatz zur szenischen Fadesse ist durchaus Spannendes aus dem Orchestergraben zu hören: Axel Kober lässt mit großem Einsatz aus dem Orchester der Wiener Staatsoper nicht nur gewaltige Ausbrüche und mitreißende Steigerungen vernehmen, sondern auch feine austarierte Lyrismen. Er betont die Farbenvielfalt aber auch die Düsternis und Wucht der genialen Musik.
Bei seinem Rollendebüt an der Staatsoper ist Gerald Finley ein sehr präsenter Titelheld, den er mit einem für das Haus am Ring etwas zu wenig voluminösem und zu wenig prägnanten aber wunderbar weichen Bariton singt. Bei ihrem Hausdebüt singt Anastasia Bartoli, eingesprungen für Ekaterina Semenchuk, die schwere Partie der Lady Macbeth mit allen teils etwas scharfen, kraftvollen Spitzentönen. Eindrucksvoll singt sie die „Nachtwandlerszene“, die sie auch mit wunderbaren Piani gestaltet. Es gelingt ihr ein beeindruckendes Porträt der in den Wahnsinn abgleitenden Person. Robert Tagliavini ist ein etwas zu wenig präsenter Banquo, singt ihn aber mit kultiviertem Bass. Saimir Pirgu singt den Macduff mit schönem, höhensicherem Tenor. Auch die kleineren Partien und der stimmgewaltige, meist im Einklang mit dem Graben agierende Wiener Staatsopernchor singen tadellos.
Großer Jubel im vollen Haus!
Dr. Helmut Christian Mayer
14. Oktober 2024 | Drucken
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