Wien Gounods „Faust“ - szenische Reizüberflutung versus hohe musikalische Qualität

Xl_faust-wien-4-25-1 © Michael Pöhn

Eine Metro-Station namens Stalingrad, ein Cola-Automat, eine altertümliche Telefonzelle, ein abgetakeltes Café, ein Voodoo-Laden, wo der Teufel haust, eine schäbige Wohnung im ersten Stock, wo Marguerite zusammen mit Marthé wohnt. Man sieht auch einen Kirchturm: Dieses Mini-Paris auf einer Drehbühne (Bühne: Aleksandar Denic) ist zusätzlich noch voll Trash und völlig überfrachtet: So schaut die mittlerweile schon bekannte Szenerie von Charles Gounods Oper „Faust“ aus, die jetzt an der Wiener Staatsoper wiederaufgenommen wurde.

Zudem gibt es ständige Video-Einspielungen auf mehreren Leinwänden, meist live von mehreren Kameras, die von störend auf der Bühne herumhuschenden Kameraleuten bedient werden, wo man das Geschehen aus anderen Perspektiven und in Nahaufnahmen wahrnehmen kann. Aber man kennt ja schon die detailreichen, ständig reizüberflutenden und von der Musik ablenkenden, stets bei seinen Inszenierungen eingesetzten Stilmittel inklusive der Brechungen von Frank Castorf.

Wieder einmal ist es nicht die Inszenierung, sondern die musikalische Umsetzung, die den Abend zum Ereignis machen: Piotr Beczala ist ein Titelheld mit schöner Phrasierung, fast uneingeschränkter Höhe und viel Ausdruck. Nicole Car singt die Marguerite fulminant, mit hoher Dramatik und leuchtenden Höhen. Vor allem im Finale krönt die Australierin, ihre Leistung mit wunderbarer Intensität. Bei ihrer Gebetsszene wird sie von Schlangen umrankt. Extrem verschlagen, zynisch und markig, vielleicht etwas monochrom erlebt man den jugendlichen Mephisto des Adam Palka. Etwas rau klingt der Valentin des Stefan Astakhov. Sièbel wird von Castorf als Frau dargestellt. Die junge Patricia Nolz singt die Partie wunderbar. Monika Bohinec ist eine stark aufgewertete, gut singende Marthe, die im gemeinsamen Zimmer mit Marguerite durchaus auch ein Opiumpfeifchen raucht. Jusun Gabriel Park singt den Wagner zu solide. Anfänglich und auch zwischendurch manchmal etwas außer Tritt aber sonst singt der von Thomas Lang einstudierte Staatsopernchor ausgezeichnet. Anfänglich muss er revueartig und schrill tanzen.

Im Graben steht wie schon bei der Premiere Bertrand de Billy am Pult des Wiener Staatsopernorchesters.Da wird mit viel Raffinement, französischem Parfum und mannigfaltigen Valeurs musiziert. Der eine oder andere Akzent hätte allerdings dramatischer sein können.

Großer Jubel!

Dr. Helmut Christian Mayer

 

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