Wien „Kublai Khan“ als krampfhaft modernisierte, vollgestopfte, langatmige Rarität

Xl_kublai_khan___herwig_prammer-wien-4-24-3 © Herwig Prammer

Es war im Jahre 1787, da stand die Uraufführung der Oper „Cublai, gran kan de‘ Tartari“ von Antonio Salieri am Spielplan der Wiener Hofoper. Darin sollte es um „Kublai Khan“, einem machthungrigen Enkel des berüchtigten Dschingis Khan, und um die Hochzeit seines Sohnes als dessen Nachfolger gehen. Kaum haben nach der Ouvertüre die ersten Takte der Musik begonnen, da stürmt schon der Komponist auf die Bühne und unterbricht die Aufführung. Salieri erklärt, man könne die Oper, eine beißende Satire über den russischen Zarenhof, nicht aufführen, denn Russland habe mit Österreich eine Allianz gebildet, um gegen das osmanische Reich vorzugehen. Und dann kam es tatsächlich zu Lebzeiten des Komponisten auch nie zu einer Aufführung.

Plötzlich sind wir im Jahr 2022. Die Kublai Khan Süßwaren Firma feiert ihr 100-jähriges Bestehen mit dem Verkaufsschlager der Kublai Kugel und mit der Aufführung dieser Oper. Doch die insolvenzgefährdete Firma, dessen Chef Schorsch Kublai ist, soll eine Ehe des Sohns mit einer Russin retten: Das ist zumindest die Spielfassung von Regisseur Martin G. Berger und Philipp Amelungsen, die die Figur des Komponisten, von Christoph Wagner-Trenkwitz witzig kommentierend und durchaus auch eingreifend dargestellt, hinzufügt. Denn erst jetzt 238 Jahre nach der Komposition der heroisch-komischen Oper findet am Theater an der Wien die italienische Erstaufführung (eine Aufführung in deutscher Sprache gab es 1998 in Würzburg) statt. Dabei wird ständig zwischen mehreren Zeitebenen vom Barock bis zur Gegenwart hin und hergeswitcht, was an den unterschiedlichen Kostümen und den Bühnenbildern (einmal ein goldener mongolischer Palast, dann wieder dunkle moderne Wände) zu erkennen ist. Und dann wird noch so alles Erdenkliche an Klischees inklusive Videos penetrant belehrend hineingestopft: der Krieg in der Ukraine, die queere, heutige Gesellschaft werden etwa zum Thema. Männer müssen sich die Bärte abrasieren und tragen Frauenkleider und rosa Perücken, dafür tragen Frauen Bärte. Speziell am Ende des ersten Aktes herrscht ein völlig hopsendes Chaos. Wirklicher Witz kommt dabei zu kurz.

Zugegeben Salieri komponierte einige schöne Arien und Duette aber dazwischen gibt es einiges Dahinplätscherndes und unendlich lange Rezitative. Diese und auch die langen neuen Sprechtexte lassen das Stück mit 3 1/4 Stunden (inklusive Pause) ziemlich langatmig werden.

Carlo Lepore singt Kublai mit enormer Tiefe aber auch teils knorrigen Tönen. Uber einen klaren Sopran verfügt Lauranne Oliva als dessen schwuler, Weichei-Sohn Lipi, der die Prinzessin Alzima heiraten soll, sich aber dann für einen Mann Posega, von Leon Kosavic mit warmem Bariton gesungen, entscheidet. Alasdair Kent hört man mit schönem, lyrischem Tenor mit enormer Höhe als Timur. Er bekommt letztlich Alzima, die Marie Lys mit perfekten, diffizilen Koloraturen singt. Fabio Capitanucci ist ein polternder Orcano, Giorgio Caoduro ein schönstimmiger Bozzone, Ana Quintans eine saubere Memma. Tadellos: der Arnold Schoenberg Chor.

Christophe Rousset am Pult lässt bei „seinen“ Les Talens Lyrique die Musik anfänglich etwas trocken und zu wenig inspiriert aber dann mit Schwung und Präzision erklingen.

Lauer Beifall und auch einige Buhs! Es ist nicht zu erwarten, dass das Werk auch nach weit über 200 Jahren den Weg ins Repertoire finden wird.

Dr. Helmut Christian Mayer

 

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