Es war kein Wunder, dass alle vier Vorstellungen trotz höchster Kartenpreise restlos ausverkauft waren und dass bei jeder Aufführung trotzdem noch zahlreiche Opernfans in der Hoffnung kamen, vielleicht doch noch Karten zu ergattern. Es war wirklich kein Wunder, denn der Starfaktor war enorm, waren doch drei internationale, sängerische Weltstars angesagt: Anna Netrebko in der Titelpartie, Elina Garanca noch dazu bei ihrem Rollendebüt als Amneris sowie Jonas Kaufmann als Radames. Nicht zu vergessen Luca Salsi als Amonasro. Es war eine Konstellation, die in Wien und an der Wiener Staatsoper in dieser Form noch nie zu sehen war. Direktor Bogdan Roščić machte es für diese Wiederaufnahme von Giuseppe Verdis „Aida“ möglich. Entsprechend hoch waren auch die Erwartungen. Und diese werden sängerisch voll erfüllt.
Da nahm man auch die ziemlich antiquiert wirkende Inszenierung von Nicolas Joël aus 1984 in Kauf. Viele kritische Geister würden sie heute als völlig veraltet oder gar kitschig ohne neudeutende Ideen bezeichnen. Trotzdem beeindrucken die majestätischen, ägyptischen Bauwerke, insbesondere der wuchtige Felsentempel und die Säulenreihen, die aus Luxor stammen könnten, immer noch immens und sind enorm bildmächtig. Gemeinsam mit den etwas kitschigen, altmodischen Kostümen (Ausstattung: Carlo Tommaso) erinnern sie stark an die Opernfestspiele in der Arena di Verona. Von einer besonderen Personenführung ist naturgemäß nicht mehr viel festzustellen und so herrschen speziell beim Chor überwiegend eine skulpturelle Stehpartie und statische Tableaus vor. Doch sind die Stars auch schauspielerisch so routiniert, dass sie gemeinsam daraus etwas machen und durchaus intensiv spielen.
Allen voran debütiert Elina Garanca als Amneris: Mit großer Intensität aber auch Sinnlichkeit und trotzdem kontrolliert sowie exakt in Spiel und Gesang.Ungemein reich sind ihre Nuancen und Farben. Eifersucht, Verzweiflung und Ausweglosigkeit werden fast greifbar.
Anna Netrebko ist Aida. Von einigen anderen Opernhäusern noch geächtet kann sie an der Wiener Staatsoper ohne gegen sie gerichtete Proteste auftreten. Und sie singt und spielt die äthiopische Sklavin mit großer Präsenz, lyrischer Pracht, riesigem und ausdauerndem Volumen bis in die höchsten Lagen. Aber sie beeindruckt auch mit feinsten Piani und großer Innigkeit. Da verzeiht man ihr auch, dass sie es mit der Intonation hin und wieder nicht ganz genau nimmt und so manche abgestandene Operngeste.
Da Jonas Kaufman in den drei vorangegangenen Vorstellungen schon etwas angeschlagen wirkte und nicht die besten Kritiken bekam, war es kein Wunder, dass er den letzten Termin krankheitshalber absagte. Er wurde von Jorge de León ersetzt. Dieser singt den Radames mit einem großen Tenor, bombensicheren, strahlenden Höhen, etwas vibratoreicher Tiefe und nicht immer ganz kultiviert.Auch Luca Salsi kann als Amonasro mit sattem, warmem und voluminösem Bariton überzeugen. Ilja Kazakov ist ein wohlklingender König, Alexander Vinogradov singt den Ramfis allerdings etwas knorrig. Sehr homogen und wohlklingend hörte man der Chor der Wiener Staatsoper (Einstudierung:Thomas Lang).Vital und elegant tanzt das Ballett des Hauses (Choreographie: Jan Stripling).
Nicola Luisotti am Pult liebt den gewaltigen Sound und lässt das Orchester der Wiener Staatsoper phonmäßig nicht immer sängerfreundlich aufdrehen. Die Musiker spielen ungemein leidenschaftlich und reich an Farben.
Nicht endenwollender, unendlicher Jubel und stehende Ovationen!
Dr. Helmut Christian Mayer
27. Januar 2023 | Drucken
Kommentare