Jux oder Spaß bedeutet „Svanda“, der tschechische Name des Titelhelden wörtlich. Und wenn dieser mit einem soeben kennengelernten Räuberhauptmann aufbricht, um eine verzauberte Königin mit einem Eisherz zu suchen, dann aus Versehen zum Teufel in die Hölle rutscht, um schließlich wieder zu seiner sitzengelassenen Frau zurückzukehren, ist dies wohl die Ausgelassenheit in Person. Denn genau davon handelt die Oper „Svanda dudak“ – „Schwanda der Dudelsackpfeifer“ von Jaromír Weinberger. Die Uraufführung fand 1927 in Prag statt. Das Werk wurde seinerzeit zu einem Welterfolg geriet aber dann bald in Vergessenheit. Erst in letzter Zeit steht sie wieder vereinzelt auf den Spielplänen der Opernhäuser. Nach Graz 2021 gibt es jetzt eine neue Produktion am Theater an der Wien.
Kein abenteuerliches Märchenspektakel will allerdings Regisseur Tobias Kratzer im Museumsquartier, dem Ausweichquartier des MusikTheaters an der Wien während des Umbaus, wo er auch schon Rossinis „La gazza ladra“ inszeniert hat, zwischen teils öden Mauern und einem neoklassizistischen Salon in heutigen Kostümen (Ausstattung: Rainer Sellmaier) zeigen. Es wird eine Reise zwischen Wirklichkeit und Traum. Als Vorlage bemüht er Arthur Schnitzlers „Traumnovelle“ und optisch zitiert er „Eyes White Shut“ von Stanley Kubrick. Allerdings wirkt alles ungemein deftig, sexbeladen und abgeschmackt. Gleich zu Beginn treibt es Schwandas Frau einen Seitensprung mit dem Räuberhauptmann Babinsky. Dies wird aber von Schwanda, bei seinem Erscheinen locker weggesteckt und er serviert sogar Pizza für alle. Ins vollends Triviale gleitet die Reise bei einem Ausflug ins nächtliche Wien ab mit Taxifahrt und Würstl und Bier am Würstlstand und in die Rotlichtszene. Dann folgen voyeuristische Sexszenen bei der herzvereisten Königin, der Teufel regiert schließlich in einem Swingerclub, einem Art Sado-Macho Sexclub mit viel Latex, wo auf einem nackten Frauenkörper Karten gespielt wird. Und wie jetzt schon fast immer kommen wieder Videos zum Einsatz.
Aber musikalisch lohnt es, zuzuhören, denn die raffiniert instrumentierte Musik enthält nicht nur böhmische Tänze und Volksmelodien, sondern reiche, abschattierte Farben der Spätromantik – Anklänge an Smetana, Dvorak aber auch Reger, Strauss und Korngold sowie Zemlinsky sind hörbar. Sie werden von Petr Popelka am Pult der Wiener Symphoniker – er ist deren designierter Chefdirigent – nur manchmal etwas zu wuchtig, meist mit reizvoll folkloristischen Wirkungen und reichen Nuancen verwirklicht.
Von hoher Qualität sind auch die deutsch (die Übersetzung stammt von Max Brod) singenden Protagonisten: Andrè Schuen ist ein eindringlicher, schönstimmiger Titelheld, teilweise nur mit Unterhose bekleidet. Herausragend singt Vera-Lotte Boecker seine Frau Dorota. Pavol Breslik meistert die anspruchsvolle Partie des Babinsky souverän mit höhensicherem Tenor. Kalt, wie ihre Rolle es verlangt, klingt Ester Pavlu als Königin. Laut orgelnd erlabt man Sorin Coliban als schwarzer Magier, köstlich witzig Kresimir Strazanac als Oberteufel. Souverän wie immer singt der Arnold Schönberg Chor.
Viel Applaus ohne Widerspruch!
Dr. Helmut Christian Mayer
21. November 2023 | Drucken
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