Mit etlichen Steigerungen erreichen Chor und Orchester einen strahlenden Höhepunkt. Jäh bricht dieser ab. Ein ruhiges „Amen“ erklingt. Die letzten Töne in den tiefen, dunklen Bläsern werden rätselhaft ausgeblendet ohne richtig zu schließen. Eine Vision des Paradieses? Giuseppe Verdi hat seine letzten musikalischen Worte gesprochen. Denn nach diesem „Stabat mater“, mit dem er in sein Innerstes blicken ließ, komponierte der damals 83-jährige Komponist, keine Note mehr. Die leidvolle Beschreibung der Schmerzen Marias unter dem Kreuze wurde Teil der ursprünglich nicht geplanten „Quatro pezzi sacri“.
Bei den Salzburger Festspielen wurden jetzt gleich dreimal im immer ausverkauften Großen Festspielhaus zwei von diesen vier geistlichen Gesängen aufgeführt. Neben dem erwähnten „Stabat mater“ auch noch das „Te Deum“. Die zwei weiteren Teile, nämlich das „Ave Maria“ und „Laudi alla Vergine Maria“, die von Verdi schon früher als reine a-cappella Stücke geschaffen worden waren, fehlten. Es sang die Chorvereinigung Wiener Staatsopernchor, die Einstudierung besorgte Huw Rhys James, ungemein klar, intonationsrein, ausgewogen und mit Klangreichtum. Das Wiener Philharmonikerunter dem souveränen Riccardo Mutiwusste den völlig unsentimentalen Charakter dieser ätherischen Musik, die Spannung zwischen archaisch-gregorianischen und kühnen „modernen“ Klängen ideal nachformen. Das kurze Sopransolo aus dem „Te Deum“ sang mit großer Reinheit Serafina Starke, 23-jährige Teilnehmerin des Salzburger Young Singers Project.
Pol Dann Anton Bruckners 7. Symphonie: Hier wählte Muti ausgewogene Tempi, ließ die einzelnen Phrasen bei den prächtig aufspielenden Wiener Philharmonikern ausschwingen und mit großer Suggestivkraft und Ausgewogenheit zwischen den Instrumentengruppen, bei denen das ungemein sichere, prächtige Blech besonders hervorstach, musizieren. Dabei verstand er es blendend, mächtige Spannungsbögen aufzubauen.
Unter dem Eindruck des Todes des von Bruckner hoch verehrten Idols Richard Wagner entstand das Adagio dieser Symphonie. Besonders die Coda dieses zweiten Satzes gehört wohl zu den ergreifendsten Momenten der Orchestermusik überhaupt: Die Feierlichkeit und die Weltabgewandtheit des Hauptthemas, das wie eine wagnersche „unendliche Melodie“ fortgesponnen wird, wurde mit seiner ganzen Farbigkeit und Innigkeit, wie auch die übrigen Sätze der Symphonie, im besten Sinn des Wortes zelebriert.
Stehende Ovationen!
Dr. Helmut Christian Mayer
16. August 2023 | Drucken
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