Bellinis „Norma“ nun auch an der Wiener Staatsoper: Leichtgewichtige Stimmen und eine blasse Inszenierung

Xl_norma-wien-staatsoper-3-25-1 © Michael Pöhn

Nur kurze Zeit nach dem Musiktheater an der Wien zeigt nun auch die Wiener Staatsoper nach mehr als 35 Jahren Pause wieder einmal Vincenzo Bellinis „Norma, fast eine Art Lokalderby, was nicht unbedingt auf eine optimale Planungskoordination hinweist. Und der Vergleich macht sicher, diesmal hat das Musiktheater an der Wien die Nase, sowohl was Inszenierung und auch sängerische Leistungen betrifft, eindeutig vorne. Lediglich bei der Qualität des Orchesters sticht die Staatsoper.

Aber der Reihe nach: Zuerst wird man gleich einmal mit Düften begrüßt, denn dem Programmheft ist eine stark parfümierte Karte beigelegt mit intensivem Waldgeruch. Ein herbes Souvenir als Verweis auf jenen Wald, der in dieser Oper herbeigezaubert wird. Dort erblickt man eine Art Partisanenlager. Darin zeigt Cyril Teste, der an der Staatsoper schon eine interessante „Salome“ von Richard Strauss inszeniert hat, nur in Stückwerken eine meist an der Rampe gesungene Geschichte über die Nöte einer Partisanenführerin, die leider wenig zu rühren vermag. Von Bühnenbildnerin Valérie Grall stammt der zu einem Flüchtlingslager umfunktionierte Sakral- oder Industriebau. Die Frauen tragen große Schulter- oder Kopftücher mit langen roten Fransen, die sie bei ihren traditionellen Kulthandlungen verwenden, andere Frauen wie Männer sieht man im Räuberkluft wie eben von Partisanen (Kostüme: Marie La Rocca). Videos sind leider wieder einmal das zentrale Element  dieser Inszenierung: Eine Livekamera bringt (wie schon bei der „Salome“ von Teste) die Personen intensiv in Großaufnahmen. Normas Kinder wirken unbeschwert beim Spielen und Speisen. Sie selbst ist meist düster gelaunt. Die Konflikte dieser Druidin sind ihrem Gesicht anzusehen. Leider gelingt es Teste dabei kaum ein szenisches Drama zu zeigen. Der Funke springt nicht über. Ohne die Filmelemente offenbart sich nur eine gewisse Statik, es wird auch brav mit den  Händen gerungen.

Hier debütiert Federica Lombardi in der Titelpartie Norma, eine bisher fast ausschließlich ausgewiesene Belcanto-Sängerin mit leichtem, flexiblem Sopran. Sie bietet wunderbaren, kultivierten Schöngesang und feine Lyrismen. Am stärksten wirkt sie in den innigen, lyrischen Momenten Leider fehlt es ihr an intensivem Ausdruck. Wiewohl sie der Paradearie „Casta Diva“ betörende Anmut verleiht, für das spätere „Ah! bello a me ritorna“, fehlt es ihr allerdings an Kraft. Seine fulminanten, aus dem Nichts kommenden Höhen sind nach wie vor phänomenal, allerdings verfügt der begnadete Belcantist Juan Diego Flórez in seiner Mittellage über zu wenig Volumen und Kraft. Auch der Gemütszustand dieser beiden Hauptfiguren ist wenig greifbar. Ausdruck findet sich hingegen bei der Adalgisa von Vasilisa Berzhanskaya in reichem Maße, wie auch Temperament und Farbenreichtum. Ildebrando D'Arcangelo verfügt über einen schönen, schlanken Bass, seine Szenen gehören sicher zu den vokalen Höhepunkten des Abends. Tadellos singen auch der Staatsopernchor und Anna Bondarenko sowie Hiroshi Amako als Clotilde und Flavio.

Dass trotz schönem Verschmelzen der beiden Frauenstimmen und so manch anderen, feinen, lyrischen Klangmomenten nicht immer spannendes Musiktheater zu erleben ist, liegt am Dirigent Michele Mariotti, der immer wieder die Tempi zerdehnt und die Spannung nicht durchgehend halten kann. Obwohl das Orchester der Wiener Staatsoper eigentlich sehr wendig, klangschön, detail- und farbenreich musiziert.

Viel Applaus, ein paar Buhs für Flórez!

Dr. Helmut Christian Mayer

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