„La Gioconda“ bei den Salzburger Osterfestspielen: Leidenschaften nur im Musikalischen

Xl_gioconda-c_bernd_uhlig-salzburg-3-24-1 © Bernd Uhlig

Es ist schon eine sehr komplexe und verworrene Geschichte aus dem 17. Jahrhundert in Venedig, wovon Amilcare Ponchielli „La Gioconda“ handelt, die einzige der elf Opern des italienischen Komponisten, die es ins Repertoire geschafft hat, und dies hauptsächlich nur in Italien. Denn damals bestimmte noch die kirchliche Inquisition über Leben und Tod: La Gioconda, eine Straßensängerin liebt den Adeligen Enzo Grimaldi, der aber Laura liebt, die zur Ehe mit dem Inquisitor Alvise gezwungen wurde. Und dann gibt es da noch den stark intrigierenden Spitzel Barnaba, der es auf die Titelheldein abgesehen hat. Laura und Enzo kommen schließlich zusammen, weil La Gioconda auf ihn verzichtet und beiden zur Flucht verhilft.

In der diesjährigen Opernproduktion der Salzburger Osterfestspiele verlegt allerdings Regisseur Oliver Mears die Geschichte in die Gegenwart, was zum Hauptproblem seiner Inszenierung wird, denn so sind die Probleme des Plots kaum nachvollziehbar. Zudem fügt er noch die Idee ein, dass die Titelfigur schon als Kind und auch später mit Wissen ihrer Mutter von Männern gegen Bezahlung immer wieder missbraucht wurde. In einer weiteren Szene wird sie von Ärzten einer Art Elektroschocktherapie unterzogen. Des Weiteren ermordet La Gioconda entgegen dem Libretto am Fest den Alvise und zum Finale auch ihren Peiniger Barnaba. Ihr Selbstmord wird hingegen ausgespart. Zudem fehlt es insgesamt beim Regisseur, er ist Operndirektor des Royal Opera Houses Covent Garden, an einer stringenten Personenführung, die vor allem von Statik geprägt ist. Die geschmacklosen, heutigen Kostüme (Annemarie Woods), meist bunte, kurze Hosen stehen auch im krassen Gegensatz zur antiken, teils opulenten venezianischen Kulisse (Philipp Fürhofer), die zumindest eine gewisse Ästhetik aufweist.

An der Musik können die seltenen Aufführungen des Werkes sicher nicht liegen, denn diese Oper, deren Text von keinem Geringeren als von Arrigo Boito stammt, verfügt über traumhaft schöne Musik. Sie ist eine echte Volksoper mit Chören, die auf venezianische Lieder und Tänze beruht, mit effektvollen Massenszenen und leidenschaftlichen Soloauftritten. Sie ist stilistisch zwischen der Verdi Nachfolge und dem beginnenden Verismo angesiedelt und wurde an der Scala di Milano 1876 höchst erfolgreich uraufgeführt.

Die effektvolle Musiksprache in Form der traditionellen, italienischen Nummernoper mit Versatzstücken der französischen Grand Opéra wird unter dem stets anspornenden Antonio Pappano am Pult des Orchestra dell'Accademia Nazionale di Santa Cecilia ungemein agil, feurig, reich an Akzenten mit feinen Lyrismen aber auch großer Intensität musiziert und bietet eine zumindest musikalische Hochspannung.

Auch sängerisch bleiben kaum Wünsche offen: So gibt es in Salzburg ein Wiedersehen mit Anna Netrebko. Sie ist eine höhensichere Titelheldin mit wunderbarem Timbre. Ihr nachgedunkelter Sopran ist zudem ungemein nuancenreich, verfügt über schmelzende Piani und herrliche Farben. Ihr Aufschrei „Suicidio“ ist einer der aufwühlendsten Selbstmordszenen der Opernliteratur. Jonas Kaufmann muss anfänglich mit einer, ihn fast unkenntlich machenden, völlig unpassenden Matrosenmütze auftreten. Er singt den Enzo Grimaldo, eine der schwersten, italienischen Tenorrollen überhaupt, mit strahlenden Höhen. Es fehlt seinem sehr baritonal gefärbten Gesang jedoch die dramatische Intensität. Seine inbrünstig gesungene große Tenor-Romanze„Cielo e mar“, ein rares Seelengemälde, eines der wenigen, das aus dieser Oper bekannt ist und immer wieder gesungen wird, erntet viel Applaus.  Luca Salsi ist ein ungemein präsenter, angstmachender, markanter und kraftvoller Bösewicht Barnaba, ein ekliger, zynischer Vorgänger des Jago. Er ist auch der Strippenzieher, der alles unter seiner ständigen Kontrolle hat.Cieca, die blinde Mutter der Titelheldin wird von Agnieszka Rehlis innig leidend gesungen. Tareq Nazmi als Alvise Badoero, ein hoher Inquisitionsbeamten, müht sich etwas mit dieser Partie ab. Eve-Maud Hubeaux als dessen Frau Laura und Geliebte von Enzo Grimaldi singt diese mit mannigfaltigen Feinheiten einfach traumhaft schön.  Auch die vielen kleineren Rollen und der Coro dell’Accademia Nazionale di Santa Cecilia (Einstudierung: Andrea Secchi) wie auch der Salzburger Bachchor (Einstudierung: Michael Schneider) und der Salzburger Festspiele und Theater Kinderchor (Einstudierung: Wolfgang Götz und Regina Sgier) gefallen, ebenso wie die phantasievollen Tanzeinlagen (Choreographie: Lucy Burge) besonders beim bekannten Ballett „Tanz der Stunden.“

Stehende Ovationen und großer Jubel!

Dr. Helmut Christian Mayer

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