Ganze elf Opern schuf Amilcare Ponchielli. „La Gioconda“ ist aber die Einzige davon, die es ins Repertoire geschafft hat und das hauptsächlich in Italien. Man kennt daraus zwar die Balletteinlage “Tanz der Stunden” oder die Tenor-Romanze „Cielo e mar“ („Himmel und Meer“), die immer wieder selbstständig zu hören sind. Die Oper zur Gänze wird in unseren Breiten kaum gezeigt. Dies dürfte in erster Linie an der auf verschiedenen Ebenen verstrickten, komplexen und verworrenen Geschichte liegen, die im 17. Jahrhundert in Venedig spielt, als die kirchliche Inquisition noch über das Schicksal vieler Leben entschied: Die Titelheldin, eine Straßensängerin liebt den Adeligen Enzo Grimaldi, der aber Laura liebt, die zur Ehe mit dem Inquisitor Alvise gezwungen wurde. Und dann gibt es da noch den stark intrigierenden Spitzel Barnaba, der es auf La Gioconda abgesehen hat. Laura und Enzo kommen schließlich zusammen, weil die Titelheldin auf ihn verzichtet und beiden zur Flucht verhilft. Diese begeht aber Selbstmord. Ihr Aufschrei „Suicidio“ ist einer der aufwühlendsten Selbstmordszenen der Opernliteratur.
An der Musik können die seltenen Aufführungen des Werkes sicher nicht liegen, denn diese Oper, deren Text von keinem Geringeren als von Arrigo Boito stammt, verfügt über traumhaft schöne Musik. Sie ist eine echte Volksoper mit Chören, die auf venezianische Lieder und Tänze beruhen, mit effektvollen Massenszenen und leidenschaftlichen Soloauftritten. Sie ist stilistisch zwischen der Verdi Nachfolge und dem beginnenden Verismo angesiedelt und wurde an der Scala di Milano 1876 höchst erfolgreich uraufgeführt. Deshalb kann man es dem Opernhaus in Marburg (Slovensko Narodno Gledalisce Maribor), der zweitgrößten Stadt Sloweniens, nicht hoch genug anrechnen, dieses Werk jetzt aufzuführen.
Die effektvolle Musiksprache in Form der traditionellen, italienischen Nummernoper mit Versatzstücken der französischen Grand Opéra wird unter Gianluca Martinenghi am Pult des Orchesters der Marburger Oper sehr engagiert mit feinen Lyrismen aber auch großer Intensität musiziert und bietet dem stets in Hochspannung gehaltenen Geschehen den passenden musikalischen Rahmen. Nur manchmal hätte man sich intensivere Akzente gewünscht.
Sängerisch bleiben kaum Wünsche offen: Allen voran ist Luka Brajnik ein ungemein präsenter und kraftvoller Bösewicht Barnaba, ein wirkungsvoller, zynischer Vorgänger des Jago. Er ist der Strippenzieher an diesem Abend, der alles unter ständiger Kontrolle hat.Gabriela Georgieva ist eine höhensichere Titelheldin allerdings mit leichten Schärfen. Emotional einnehmend ist es, wie sie sich um ihre blinde Mutter kümmert. Diese wird von Dada Kladinek innig leidend gesungen. Ivan Morimov singt den Enzo Grimaldi mit strahlendem Tenor in der Höhe, wirkt jedoch in der Mittelage anfänglich etwas belegt. Seine inbrünstig gesungene große Arie „Cielo e mar“ erntet viel Applaus. Dragoljub Bajić als Alvise Badoero, einem Führer der Inquisition verfügt über einen sehr kultivierten Bariton. Sein Spiel mit seiner zwangsweise mit ihm verheirateten Frau Laura ist an Perfidität kaum noch zu überbieten. Irena Petkova als dessen Frau Laura singt diese sehr zurückhaltend und manchmal zu wenig hörbar. Auch die viele kleineren Rollen und der Chor (Einstudierung: Zsuzsa Budavari Novak) des Hauses gefallen, ebenso wie die phantasievollen und ausgesprochen einnehmend schönen Balletteinlagen (Choreographie: Valerio Longo).
Filippo Tonon, der auch sein eigener Ausstatter ist, hat hauptsächlich statisch, aber die Geschichte immer klar erzählend in einem historisch traditionellen, opulenten und ästhetischen Ambiente inszeniert. Nur manchmal wird zu sehr an der Rampe gesungen. In dieser Koproduktion mit der Arena di Verona, wird in teilweise üppigen, prachtvollen Kostümen (Carla Galleri) in einem Palast mit großen verschiebbaren Portalen, die verschiedene Räume ermöglichen vor einer massiven, brüchigen hebbaren Mauer durchaus mit Leidenschaft agiert und es entstehen dabei bildmächtige Tableaus.
Es ist zweifellos eine gelungene, große künstlerische Herausforderung und Leistung für das Maribor Opernhaus, die mit entsprechend viel Applaus bedacht wurde.
Dr. Helmut Christian Mayer
08. Oktober 2022 | Drucken
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