Maribor: Desdemonas aufwühlender Selbstmord bei Verdis "Otello"

Xl_otello-marburg-2-25-20 © Tiberiu Martha

Langsam und leise flattert das Taschentuch von oben herunter und fällt neben der weißbekleideten Desdemona auf den Boden. Es wird auch später immer wieder symbolhaft auftauchen. Erst dann bricht der Sturm musikalisch und optisch eindrucksvoll los. Dieser wird durch Projektionen von schäumenden Riesenwellen gezeigt: So lässt Guy Montavon Giuseppe Verdis „Otello“ am Slowenischen Nationaltheater, dem Opernhaus von Maribor/Marburg in der stimmigen Ausstattung von Wolfgang von Zoubek beginnen. Aber auch das Finale der späten Oper des italienischen Meisterkomponisten wühlt auf, wobei der Schweizer Regisseur eine neue Interpretation ausgedacht hat: Nicht nur zum Ende wird die Szene von mächtigen, grauen und kalten Steinmauern dominiert. Desdemona befindet sich in einem beengten Raum, der wegen der vergitterten Öffnung wie eine Gefängniszelle wirkt. Hier wartet sie im weißen Hochzeitskleid angstvoll und betend auf Otello. Jago führt Otello vor das Gitter, der den Raum nicht betritt, sondern Desdemona ein Messer zuwirft, mit dem sie sich selbst tötet. Erst dann, nachdem ihm die Intrigen von Jago offenbart wurden, stürmt Otello zur toten Desdemona und begeht mit dem gleichen Messer auch Suizid. Zuerst wirkt diese Idee irritierend aber dann doch durchaus nachvollziehbar, denn er zeigt schlüssig, wie Desdemona in ihrer beengten Ausweglosigkeit in den Selbstmord getrieben wird. Bis auf dieses Finale erzählt Montavon die Geschichte insgesamt klar und konventionell und stellt den intrigantischen Bösewicht Jago als Strippenzieher in den Mittelpunkt.

Dieser ist ein eleganter Fiesling, der auch beim „Credo“ mit fast gruseliger Dämonie punkten kann. Dies wird auch optisch unterstützt, denn bei dieser Arie bewegen sich zwei große seitliche Mauern bedrohlich nach vorne um die Bühne fast zur Gänze zu schließen, während im Hintergrund ein Gewitter mit Blitzen und Wolken tobt. Diese Rolle kann Luka Brajnik mit enormer Bühnenpräsenz, kraftvoller Durchschlagskraft aber auch feiner Ironie exzellent ausfüllen. Sabina Cvilak ist eine beseelte, intensiv leidende Desdemona, die Lyrik wie auch Dramatik vereint und nur manchmal etwas zu jäh auftrumpft. Sung Kyu Park vermag als Otello Drastik bei seinen Wutausbrüchen und reiche Emotionen etwa beim Liebesduett zu vermitteln. Bei seinem ersten Auftritt, beim „Esultate“ noch etwas angestrengt wirkend, gelingen ihm bald ungetrübt alle Spitzentöne.  Boze Juric Pescic ist ein schönstimmiger Cassio. Stimmgewaltig und fast immer eines Sinnes ist der Chor des Hauses. Von den kleineren, gut besetzten Rollen seien noch Irena Petkova (Emilia) sowie Ziga Lakner (Roderigo) und Luka Ortar (Lodovico) erwähnt.

Das Spätwerk Verdis erlebt unter Roberto Gianola im Orchester der Marburger Oper eine packende und facettenreiche Aufführung mit voll ausgekosteten Lyrismen. Bei manchen dramatischen Szenen hätte man sich allerdings ein Mehr an eruptiven Ausbrüchen gewünscht.

Großer Jubel!

Dr. Helmut Christian Mayer

 

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