"Samson et Dalila" an der Wiener Staatsoper: Szenische Fadesse gepaart mit musikalischer Topqualität

Xl_samson_et_dalila-wien-5-18-3 © Michael Pöhn

Seiner Haarpracht und seines Augenlichts beraubt steht Samson vernichtet, blutverschmiert und todessehnsüchtig auf einer Rampe, während die Philister in Form einer feingewandeten, sekttrinkenden Spaßgesellschaft ihn rundum sitzend beim musikalischen „Bacchanal“ beglotzen und er dann als Double vom Ballett (Choreographie: Lukas Gaudernak) gedemütigt und geschlagen wird, bevor dann statt des Tempel Einsturzes nur pyrotechnische Effekte geschehen: Dieser Schlussakt ist aber auch schon der einzige aktionsreiche Moment in Camille Saint Saens „Samson et Dalila“ an der Wiener Staatsoper, die nach 28 Jahren seit der letzten Premiere hier wieder gezeigt wird. Zugebenermaßen diese alttestamentarische, zum Heldenepos ausgeschmückte Geschichte vom Richter und Volksführer in Israel, der seiner Haarpracht verdankende, ungeheuren Kraft durch die verführerische Liebe einer gegnerischen Priesterin beraubt wird, weist in erster Linie oratorienhafte Züge und eine dramaturgisch nicht besonders stringente Handlungsführung auf. Aber bloße Arrangements beim viel beschäftigten Chor und bloßes Steh- und Rampentheater zu zeigen, wie es Regisseur Alexandra Liedtke tut, lassen bald szenische Fadesse aufkommen. Zu nichtsagend, ja regelrecht hilflos, zumindest im ersten Akt, wirkt ihre Inszenierung. Mit dazu trägt auch die Ausstattung mit den farblosen Kostümen von Su Bühler und dem trostlos öden und gesichtslosen Bühnenbild von Raimund Orfeo Voigt mit der langen Schräge, ein bisschen Nebel und die düsteren Lichtstimmungen, auch wenn vom Frühling und Sonnenaufgang die Rede ist, bei. Dalilas Hütte ist ein kühler, teilweise mit Marmorplatten ausstaffierter Salon mit drei Sesseln und eine mit Wasser gefüllten Badewanne, der kaum eine (und schon gar keine sinnliche) Atmosphäre aufkommen lässt. Eine Verführung des Samson durch Dalila findet nur in den Ansätzen statt. Dazukommen noch wie auch die überzogen futuristischen, teilweise an Karikaturen erinnernde Kostüme.

Aber es gibt da zur Entschädigung drei Arien der Dalila, die zu den schönsten des Mezzofachs überhaupt zählen. Nicht nur mit diesen kann Elina Garanca mit ihrer runden, dunklen und voluminösen Prachtstimme, die auch die extreme, geforderte Tiefe hat, faszinieren. Sie ist in Bestform und weiß unzählige Ausdrucknuancen zu erzeugen, ganz besonders in ihrem Ohrwurm „Mon coeur s’ouvre à ta voix“. Allerdings ist sie szenisch keine große Verführerin. Roberto Alagna in der höllisch schweren Rolle des Samson singt diesen kraftvoll und höhensicher. Er zeigt einen zerrissenen Samson robust und expressiv zwischen Pflicht und Neigung, Liebe und göttlichem Auftrag die Philister zu befreien. Markant, auftrumpfend aber auch sehr nobel hört man Carlos Álvarez als Oberpriester. In den eher undankbaren, kleinen Rollen sind auch noch Dan Paul Dumitrescu als edler Alter Hebräer, Sorin Coliban als stimmmächtiger Abimélech und Leonardo Navarro als solider Kriegsbote der Philister zu erleben. Der Chor der Wiener Staatsoper, dessen Einstudierung Thomas Lang besorgte, singt mächtig, kraftvoll und ergreifend.

Nur selten den Phonpegel überziehend werden das Klangprächtige im Dramatischen die Leichtigkeit der Melancholie, wie auch die stimmungsprächtigen Valeurs nobel ausmodelliert: Sicher auf Transparenz bedacht führt Marco Armiliato das Orchester Wiener Staatsoper.

Großer Jubel im vollen Haus!

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