Verdis "Otello" in Venedig: Musikalische Siedehitze

Xl_otello-venedig-c_michele_crosera-11-24-2 © Michele Crosera

Das Bühnenbild strotzt nur so vor Gold.  Es erinnert an eine reich verzierte Fassade eines venezianischen Palazzo mit drei Elementen, die sich öffnen können und immer wieder Einblicke in stilisierte Projektionen im Hintergrund, wie wild schäumende Wellen aber auch Sonne und Sterne gewähren. Alles, wie auch die Kostüme (Claudia Pernigotti), ist bei Giuseppe Verdis “Otello” in Venedig sehr ästhetisch und prunkvoll. Dominant ist auf der Fassade, man könnte sie auch als ein Altarbild sehen, ein Löwe, der für den Titelhelden steht, auszumachen. Dieser wird auch von einem Balletttänzer zum Leben erweckt und später von Jago geköpft. Nur insgesamt ist es überladen, es ist von allem etwas zu viel und so schrammt das Bühnenbild von Massimo Checchetto hart am Kitsch vorbei. Bei der „Inaugurazione“ der neuen Saison im herrlichen Teatro la Fenice, die wegen eines Streiks der Gewerkschaft um mehrere Tage verschoben werden musste, umranken beim erstmaligen Aufkommen der Eifersuchtsgefühle den Otello mehrere kriechende, silbergraue Schlangen, von Balletttänzerinnen gespielt, die dann wie die bösen Gedanken immer mehr vom diesem Besitz ergreifen. Regisseur Fabio Ceresa weiß aber auch sonst mit einer schlüssigen Personenführung, vielen Ideen und Symbolen zu packen und auch mit sehr ästhetisch arrangierten Bildern zu überzeugen.

Für die musikalische Siedehitze sorgt der Mann am Pult: Wie schon öfters hier kann Myung-Whun Chung auch diesmal mit packendem Zugriff das Orchester des Teatro la Fenice zu extrem aufregendem wie auch detailreichem Musizieren animieren und erzeugt so immer wieder eine emotionale Siedehitze. Er kostet dabei sowohl die dramatischen Ausbrüche wie auch die lyrischen Phasen ausgiebig aus, wobei er die Sänger aber nie zudeckt.

Es ist beinahe unerträglich, beobachten zu müssen, wie er das Gift der Eifersucht in das Bewusstsein des Titelhelden subtil und gemein hineinträufelt: Luca Micheletti als Jago ist eine Klasse für sich, denn er singt diesen nicht nur mit kraftvollem, kernigem Bariton, sondern vermag auch mit raffiniert dämonischer Schauspielkunst, den Otello einzuwickeln. Der Italiener, er ist auch ein ausgebildeter Schauspieler und Regisseur, steht als Strippenzieher im Mittelpunkt. Niederschmetternd ist sein „Credo“, bei jenem nihilistischen Gesang, stellt er seine ganze intrigantische Bösartigkeit zur Schau. Diesmal sollte die Oper wirklich “Jago” heißen. Denn Francesco Meli führt bei seinem Rollendebüt den eifersüchtigen Titelhelden darstellerisch zu zurückhaltend vor, bewältigt aber die Partie stimmlich kraftvoll mit allen ungefährdeten Spitzentönen. Karah Soni st eine sehr berührende, fast mädchenhafte Desdemona. Wunderbar hört man auch Francesco Marsiglia als Cassio und die vielen kleineren Rollen. Stimmgewaltig vernimmt man den bewegungsfreudigen Chor des Teatro la Fenice.

Großer Jubel!

Dr. Helmut Christian Mayer

| Drucken

Mehr

Kommentare

Loading