Es gab diesmal eine echte Premiere, denn erstmalig erklang bei dem Neujahrskonzert 2025 im vollen Goldenen Saal des Wiener Musikvereins die Komposition einer Frau, nämlich der „Ferdinandus-Walzer“ von Constanze Geiger (für großes Orchesters von Wolfgang Dörner arrangiert), eine Huldigung für Kaiser Ferdinand I. Dieses Stück hatte die 1835 in Wien geborene Komponistin, die auch Pianistin, Sängerin und Schauspielerin war, schon mit dreizehn Jahren geschrieben. Als „tolles Stück“ bezeichnete es Riccardo Muti, als es ihm vorgestellt wurde und er es für das Programm auswählte. Und es wurde gemäß der Vortragsanweisung „vivace con fuoco“, also lebhaft, schnell und mit Feuer aber auch mit seelenvoller Zartheit und Weichheit der Tanzweisen von den Wiener Philharmonikern gespielt.
„Friede, Brüderlichkeit und Liebe für die ganze Welt“: Das wünschte sich Riccardo Muti für das Jahr 2025 auf Italienisch zum Finale des Konzerts und wurde dafür heftigst beklatscht. Bereits zum siebenten Mal dirigierte der italienische Maestro das traditionsreiche Neujahrskonzert, das auch diesmal in 93 Länder weltweit übertragen und von Millionen Menschen gesehen wurde. Den in Neapel geborenen und in Ravenna lebenden 83-jährigen Stardirigenten verbindet eine lange künstlerische Partnerschaft und Freundschaft mit den Wiener Philharmonikern, mit denen er bereits seit 54 Jahren zusammenarbeitet und das Orchester über 500-mal dirigiert hat.Wenn das kein Rekord ist! Zudem ist er bereits seit 2011 Ehrenmitglied des renommierten Klangkörpers. Aus all diesen Gründen ließ sich auch am Neujahrstag eine perfekte Symbiose zwischen den beiden feststellen, was sich in perfekter Präzision, ausgereizter Dynamik und weiterer reicher Nuancen durchgängig zeigte.
Das zeigte sich insbesondere bei der Musik von Johann Strauß (Sohn), dessen 200. Geburtstag 2025 es zu feiern gilt und die den Schwerpunkt dieses Konzertes bildete, weswegen allein acht seiner Tonschöpfungen im mit etwa 30.000 prachtvollen Blumen gesäumten Goldenen Saal des Wiener Musikvereins erklangen: Bei der „Demolirer-Polka“ konnte man in der Musik förmlich den Abriss der alten Stadtmauern heraushören. Zündend und mitreißend konnte man auch Ohrwürmer wie die „Annen-Polka“, oder die „Tritsch-Tratsch Polka“ genießen. Wann hat man diese schon einmal mit solch einer Dringlichkeit erlebt? Es erklangen weiters eingängige Walzer, wie „Accelerationen“, „Wein, Weib und Gesang“ oder der wunderbare „Lagunenwalzer“, ein fein differenziert musiziertes Potpourri aus Gesangsstimmen aus der Operette „Eine Nacht in Venedig“. Aus einer weiteren seiner Operetten nämlich dem „Zigeunerbaron“ wurde die Ouvertüre farbenreich interpretiert.
Aber auch bei Johann Strauß Vater mit dem „Freiheitsmarsch“ wie auch Bruder Josef Strauß, bei dessen Musik man schon fast den Schmerz in der Musik erspüren konnte, mit dem zwitschernden und schwebenden „Dorfschwalben-Walzer“ sowie dem „Transactionen-Walzer“ waren dabei. Letzteren widmeten die Philharmoniker dem 30-Jahr-Jubiläum der EU-Mitgliedschaft Österreichs. Der andere Bruder Eduard Strauß war mit einer Polka schnell „Luftig und duftig“ zu erleben. Und dann konnte man sich noch an Josef Hellmesberger Junior„Fidele Brüder“, ein Marsch aus der Operette "Das Veilchenmädel" erfreuen.
Melancholie und Freude, genau diese Stimmungen, die sich in der Musik der Strauß-Familie spiegeln, wurden ideal in Balance präsentiert. In bester Laune ließ man den Champagner prickeln, betonte auch das sehnsuchtsvoll Schwebendeund ging mit entspannter Lockerheit ans Werk. Die Souveränität des Maestros übersetzten die Musikerinnen und Musiker in lockere, aber immer präziser Spiellust. Und wenn es drauf ankam, setzte er auf dramatische Akzente. Da wurden Tempi, Dynamik und Farben immer wieder neu abgemischt, und an der Verfeinerung des Klangsinnlichkeit, gearbeitet, um dann mit fast schmissigen Orchestertutti die Zuhörer wieder in die Realität zurückzubeordern. Und es gab sie auch diese erhofften, magischen Momente, bei denen die Zeit quasi stillzustehen schien. Die Philharmoniker verwandelten wieder einmal die Tanzmusik des 19. Jahrhunderts in hoch ästhetische Konzertmusik voller Finesse, Schönheit und Schwung.
Als obligate Zugaben gab es nochmal Walzerseligkeit mit dem „Donauwalzer“ und dann kam mit dem „Radetzkymarsch“ der Mitklatschfaktor hinzu.
Auch für nächstes Jahr wurde das Geheimnis gelüftet, da wird übrigens Yannick Nézet-Séguin am Pult stehen.
Stehende Ovationen!
Dr. Helmut Christian Mayer
05. Januar 2025 | Drucken
Kommentare