„The Tempest“ von Thomas Adès zählt sicher zu einer der erfolgreichsten „modernen“ Opern der letzten Jahre. Denn nicht nur die Uraufführung der zweiten Oper des britischen Komponisten 2004 in London Covent Garden war beim Publikum ein großer Erfolg, sondern auch die späteren Aufführungen in mehreren Städten. Jetzt wird die Oper, die 2015 hier schon gezeigt wurde, an der Wiener Staatsoper wiederaufgenommen.
Der Erfolg basiert aber auch an der detail- und ideenreichen Regie von Robert Lepage, der sich reichlich in der theatralischen Trickkiste bedient. So wird auf der Insel des Prospero, die Mailänder Scala nachgestellt. Das Bühnenbild (Jasmine Catudal) zeigt sie in verschiedensten Perspektiven, wodurch die Ebenen verschwimmen: Alle Personen sind zugleich Opfer von Prosperos Zerstörungswut aber auch Zuseher einer faszinierenden Theaterwelt. Was die Produktion außergewöhnlich werden lässt sind die aufwändige Üppigkeit, die magischen Bilder mit fantasievollen Kostümen (Kym Barrett) und die feine Sinnlichkeit.
Das Sängerensemble stellt Adès vor aberwitzige Aufgaben, sowohl was Rhythmik aber auch die extreme Tessitura betrifft, die aber das Ensemble mit bewunderwürdiger Souveränität löst: Eigentlich kann man es kaum glauben, dass man solche Höhen und solch extreme Intervalle überhaupt bzw. sauber singen kann, die Adès für den Luftgeist Ariel erdacht hat. Aber die junge Norwegerin Caroline Wettergreen ist nicht nur schwindelfrei, wenn sie etwa am riesigen, sich drehenden Luster hängt oder auf einer Brücke balanciert, sondern kann auch zwitschern und tirilieren wie ein Vogel und die stratosphärischen Koloraturkaskaden mit phänomenaler Bravour erklimmen. Adrian Eröd singt den Prospero mit eleganten und warmen Tönen und muss das Baritonregister auch völlig ausreizen. Frédéric Antoun gibt den wie ein borstiges Fantasietier ausgestatteten, intrigantischen und bösartigen Caliban, der mit seinem etwas kleinen Tenor auch in ungeahnte Höhen vorstoßen kann. Als Tochter des Prospero Miranda ist Kate Lindsey wunderbar zu erleben, die mit wunderbar sanften Bögen und feiner Phrasierungen singt. Ihren Geliebten Ferdinand singt Hiroshi Amako mit schönem, lyrischem Tenor. Als sein Vater, der König von König hört man Toby Spence mit einem gefühlvollen Trauergesang. Den bösen Bruder von Prospero Antonio gibt Daniel Jenz sehr beeindruckend. Wolfgang Bankl ist ein stimmgewaltiger, gütiger Diener Gonzalo, Michael Arivony ein solider Sebastian, ebenso wie die ständig betrunkenen Saufkumpanen Dan Paul Dumitrescu (Stefano) und James Laing (Trinculo), die das insgesamt gut singende Ensemble abrunden. Der Chor der Wiener Staatsoper (Einstudierung: Thomas Lang) in edlen Abendroben ist sehr homogen zu hören.
Der geschickte Musikhandwerker Thomas Adés bedient sich bei der brillanten Instrumentierung in der gesamten Palette der Operngeschichte. Man erlebt Anlehnungen an barocke Formenwelten bis hin zu grellen Dissonanzen. Er mischt Farben und Stile nach Belieben bis zu schillernder Polystilistik. Wie schon bei anderen Aufführungen steht Adés selbst am Pult des Orchesters der Wiener Staatsoper, das dies alles mit Bravour, Sensibilität und großer Differenziertheit erklingen lassen.
Großer Jubel!
Dr. Helmut Christian Mayer
11. Mai 2024 | Drucken
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