Wiener Staatsopernsaison 20/21

Xl_bogdan_roscic-4-20 © Lalo Jodlbauer

Mitten in der Coronakrise und während das Haus geschlossen ist, musste der neue Staatsoperndirektor Bogdan Roščić seine erste Spielzeit an der Wiener Staatsoper präsentieren. Diese steht ganz im Zeichen der Auseinandersetzung und Erneuerung des Kern-Repertoires: In zehn Premieren werden zehn auf ihre Art absolut zentrale Opern neu auf die Bühne gebracht, darunter einige der meistgespielten Werke des Repertoires. Dabei gilt es festzustellen, dass acht davon ältere sind und Übernahmen von Inszenierungen anderer Opernhäuser. Die Arbeit an diesen Projekten ist stark durch die Wiedereinführung der Position des Musikdirektors bestimmt: Philippe Jordan ist nicht nur wesentlicher Teil des neuen künstlerischen Führungsteams, sondern wird, auch an vielen Abenden am Dirigentenpult stehen – so bereits bei der Eröffnungspremiere (Puccinis: Madama Butterfly am 7.9.2020) der Saison.

Ein zentraler Schwerpunkt der neuen Direktion liegt neben der Beschäftigung mit Fragen des musikalischen Bereichs vor allem im Dialog und der Balance zwischen musikalischer Arbeit und szenischem Anspruch. Daher wird das Führungsteam seine Vorhaben der ersten Spielzeit gemeinsam mit den wichtigsten Regisseuren der Opernwelt umsetzen. Fast alle von ihnen arbeiten zum ersten Mal an der Wiener Staatsoper. Durch die ungewöhnlich hohe Anzahl von Premieren gehen auch einige ihrer bereits legendär gewordenen, stilbildenden Inszenierungen innerhalb einer Saison neu erarbeitet in das Repertoire der Wiener Staatsoper ein. Programmatisch werden von der neuen Direktion drei Schwerpunkte gesetzt: Mozart, Wagner sowie jene klassisch gewordenen Opern des 20. Jahrhunderts, die eine Brücke zwischen Tradition und zeitgenössischer Komposition bilden. Diese drei Schwerpunkte werden sich in jeder der von der neuen Direktion verantworteten Spielzeiten wiederfinden. Parallel zu den zehn neuen Projekten widmet sich die Wiener Staatsoper einer Reihe von klar als solchen gekennzeichneten Wiederaufnahmen. Neben den bekanntesten Namen der Opernwelt werden an der Spielzeit viele für die Staatsoper neue Künstlerinnen und Künstler in ihren Haus-Debüts mitwirken, vokal ebenso wie am Dirigentenpult. An dieses kehren auch vertraute, wichtige Namen wie Christian Thielemann, Franz Welser-Möst oder Bertrand de Billy zurück.

Die Staatsoper auch konsequent für alle zu öffnen, ist ein weiteres Ziel, das sich die neue Direktion vorgenommen hat. Eine dafür zentrale Maßnahme ist die intensive Weiterführung des Kinderoper-Programms, das stärker ans Haus selbst gebracht wird. Mozarts „Entführung“ wird für Kinder als Wander-Theater an besonderen Plätzen der Staatsoper gezeigt, auch ein verdichteter, auf Deutsch neu erzählter, „Barbier von Sevilla“ wird im Großen Haus zu sehen sein.

Diese 10 Opern-Premierenproduktionen stehen in der Saison 2020/21 auf dem Spielplan der Wiener Staatsoper:

Madama Butterfly“ von Giacomo Puccini. 7.9.2020 - Musikalische Leitung: Philippe Jordan – Inszenierung: Anthony Minghella, mit Asmik Grigorian in der Titelrolle und Freddie De Tommaso, Boris Pinkhasovich. Diese poetische, aufsehenerregende Inszenierung des Oscar-Preisträgers Anthony Minghella („Der englische Patient“, „Der talentierte Mr. Ripley“), wird als erste Premiere in Wien von Carolyn Choa, die sie als Choreographin gemeinsam mit ihrem im Jahr 2008 verstorbenen Ehemann Minghella erarbeitet hat, neu einstudiert.

Die Entführung aus dem Serail - 12. 10. 2020 - Musikalische Leitung: Antonello Manacorda, Inszenierung: Hans Neuenfels, mit Lisette Oropesa, Regula Mühlemann, Daniel Behle, Michael Laurenz, Goran Jurić, als Bassa Selim: Christian Nickel. Ein Klassiker der Musiktheaterregie ist Hans Neuenfels nun für Wien weiterentwickelte, ebenso poetische wie skurrile, existentiell anrührende wie heiter skeptische Meditation über das Gegen- und Miteinander von Gesang und Schauspiel.

Eugen Onegin von Piotr I. Tschaikowski - 25. 10. 2020 - Musikalische Leitung: TomášHanus, Inszenierung: Dmitri Tcherniakov, mit Tamuna Gochashvili, AndrèSchuen, Bogdan Volkov, Dimitry Ivashchenko. Die 2006 am Bolschoi Theater Moskau herausgebrachte Inszenierung von Regisseur und Bühnenbildner Dmitri Tcherniakov ist rund um die Welt gegangen und bis heute eine seiner wichtigsten geblieben.

Das verratene Meer“ von Hans Werner Henze - 13.12.2020 - Musikalische Leitung: Simone Young, Inszenierung: Jossi Wieler & Sergio Morabito, mit Vera-Lotte Boecker, Josh Lovell, Bo Skovus. Die Vorlage dazu stammt aus der Feder des „enfant terrible“ der japanischen Nachkriegsliteratur Yukio Mishima, dessen Roman „Gogo no Eiko“ (auf Deutsch erschienen unter dem Titel „Der Seeman, der die See verriet“) der Oper zugrunde liegt. Hans Werner Henze lässt den subtilen Horror der Vorlage Klang werden – beunruhigend und verführerisch zugleich.

Carmen von Georges Bizet - 6. Februar 2021 - Musikalische Leitung: Andrés Orozco-Estrada - Inszenierung Calixto Bieito (ersetzt die „alte“ Franco Zefirelli Inszenierung), mit Anita Rachvelishvili, Charles Castronovo, Erwin Schrott, Olga Kulchynska. Nachdem Calixto Bieito als Theaterregisseur Berühmtheit erlangt hatte, war „Carmen“ 1999 seine erste große Opernregiearbeit. Seither ging die Produktion rund um die Welt, Bieito hat diese legendäre Inszenierung mehrfach überarbeitet und verfeinert und wird sie in Wien nun selbst neu einstudieren.

La Traviata von Giuseppe Verdi - 4. März 2021 - Musikalische Leitung: Giacomo Sagripanti – Inszenierung: Simon Stone, mit Pretty Yende, Frédéric Antoun, Igor Golovatenko. Autor, Theater-, Film-, Fernseh- und Opernregisseur Simon Stone, für seine konsequenten Aktualisierungen klassischer Stoffe gefeiert, zeichnet in seiner „Traviata“ Violetta Valéry als todkranke Influencerin, die selbst dann in ihrer Instagram-Welt gefangen bleibt, wenn sie sich mit ihrem Geliebten aufs Land zurückzieht.

Parsifal von Richard Wagner - 1.4.2021 - Musikalische Leitung: Philippe Jordan, Inszenierung: Kirill Serebrennikov, mit Jonas Kaufmann in der Titelrolle und Elīna Garanča als Kundry, weiters mit Ludovic Tézier, Georg Zeppenfeld, Wolfgang Koch. Zum Ereignis zu werden verspricht diese Inszenierung aus mehrfachen Gründen: Der Theater-, Opern-, Film- und Ballettregisseur sowie Bühnen- und Kostümbildner Kirill Serebrennikov hat in Russland eine ganze Generation junger Theaterschaffender und Theaterzuschauer geprägt. Auf seine existenzielle Bedrohung durch ein bereits drei Jahre währendes, international allgemein scharf kritisiertes Verfahren der russischen Justiz reagiert Serebrennikov mit gesteigerter Kreativität und realisiert trotz eines Ausreiseverbots atemberaubende Inszenierungen.

Faust“ von Charles Gounod - 23.4.2021 - Musikalische Leitung: Bertrand de Billy – Inszenierung:  Frank Castorf, mit Juan Diego Flórez, Nicole Car, Adam Palka, Boris Prýgl. Frank Castorf, der Meister der szenischen Komplexität, widmet sich einer als schön, aber etwas bieder geltenden Oper und entfacht dabei ein ebenso sinnliches wie intellektuelles Assoziationsfeuerwerk.

L’Incoronazione di Poppea von Claudio Monteverdi - 22. 5. 2021 - Musikalische Leitung: Pablo Heras-Casado – Inszenierung: Jan Lauwers mit Kate Lindsey, Slávka Zámečníková, Xavier Sabata, Christina Bock, Willard White und dem Concentus Musicus als Hausdebüt im Orchestergraben. Regisseur ist der 2014 mit dem Goldenen Löwen der Biennale di Venezia ausgezeichnete Belgier Jan Lauwers.

Macbeth von Giuseppe Verdi - 10.6.2021 - Musikalische Leitung: Philippe Jordan - Inszenierung: Barrie Kosky, mit Luca Salsi in der Titelpartei und Anna Netrebko erstmals als Lady Macbeth an der Staatsoper, die auch im Dezember mehrmals die Tosca singen wird.sowie Roberto Tagliavini. Die Inszenierung des australischen Regisseurs Barrie Kosky konzentriert sich ganz auf das ebenso miteinander vertraute wie ineinander verkämpfte Ehepaar Macbeth, das Notturno einer tiefschwarzen Paarbeziehung.

Drei Wiederaufnahmen und eine musikalische Neueinstudierung zeigt die Wiener Staatsoper auch in der Spielzeit 20/21:  

„Elektra“von Richard Strauss - 8.9.2020 - Musikalische Leitung: Franz Welser-Möst – Inszenierung:  Harry Kupfer, mit Doris Soffel, Ricarda Merbeth, Camilla Nylund und Derek Welton. Die eindringliche Inszenierung des im Dezember 2019 verstorbenen legendären Regisseurs Harry Kupfer aus dem Jahr 1989 wurde an der Wiener Staatsoper zuletzt 2012 gezeigt.

 

Don Carlos“ von Giuseppe Verdi in der französischen Urfassung - 27.9. 2020 - Musikalische Leitung: Bertrand de Billy – Inszenierung: Peter Konwitschny mit Ildar Abdrazakov, Jonas Kaufmann, Igor Golovatenko, Roberto Scandiuzzi, Malin Byström, Eve-Maud Hubeaux.

„Le nozze di Figaro“von Wolfgang Amadeus Mozart - 24. 1. 2021 - Musikalische Leitung: Philippe Jordan, Inszenierung: Jean-Pierre Ponnelle mit AndrèSchuen, Federica Lombardi, Louise Alder, Philippe Sly,Cherubino Virginie Verrez.

„Der Rosenkavalier“von Richard Strauss - 16.12.2020 - Musikalische Leitung: Philippe Jordan – Inszenierung: Otto Schenk mit Krassimira Stoyanova, Günther Groissböck, Daniela Sindram, Jochen Schmeckenbecher, Erin Morley, Piotr Beczała. Das Werk zählt in Wien zum zentralen Repertoirebestand, dem sich stets auch die großen Interpreten am Dirigentenpult widmeten.

Die saison 20/21 ist auxh

 

Die Vorhaben im Ballett, deren Compagnie in dieser Saison vom Schweizer Choreographen Martin Schläpfer übernommen wird, sind:

Hollands Meister“ – 20.9.2020 - Choreographie: León & Lightfoot, von Manen und Kylían.

„Mahler, live“ – 24.11.2020 - Choreographie: Schläpfer, von Mannen.

„Ein deutsches Requiem“– 30.1.21 - Choreographie: Schläpfer.

„Promethian Fire“ – 15.5.21 - Choreographie: Taylor, Schläpfer, Morris.

„A Suite of Dances“– 23.5.21 - Choreographie: Balanchine, Robbins.

Tänze Bilder Sinfonien“ – 26.6.21 - Choreographie: Balanchine, Ratmansky, Schläpfer.

Dr. Helmut Christian Mayer

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